Donnerstag, 18. Februar 2010
Die Republik und ihr adeliges Oberhaupt
Es fängt an mit der kleinlich-spießigen Weglassung des Adelsprädikats und es endet mit einer flagranten Menschrechtsverletzung: sowohl der älteste Sohn des letzten Kaisers, Otto, wie auch einer seiner zahlreichen Verwandten, Ulrich, müssen es sich gefallen lassen, von einer kleinkarierten Kaste österreichischer Politiker als "Otto Habsburg" und "Ulrich Habsburg-Lothringen" tituliert zu werden. Das wäre noch zu verschmerzen.
Ein ausgewachsener Skandal ist es jedoch, daß eine Republik, die bei jeder Gelegenheit von Toleranz und Gleichheit vor dem Gesetz schwadroniert, eine Familie kollektiv diskriminiert, weil sie einmal auf dem Thron gesessen hat. Die Familie Habsburg darf per Gesetz, gemäß den schandbaren sogenannten "Habsburgergesetzen", für kein politisches Amt kandidieren. Mitglieder der Familie durften auch erst nach Österreich einreisen, und selbst das nur unter größten Schwierigkeiten, nachdem sie offiziell auf ihre Thronrechte verzichtet hatten. Zugleich kennt die Republik Österreich bekanntlich keinerlei Scham, von jenen Relikten alter Größe zu profitieren, die es ohne die Habsburger niemals gäbe. Klinisch nennt man so etwas Schizophrenie, politisch Opportunismus.
Für die Gattin des letzten Kaisers, Zita aus dem Hause Bourbon-Parma, mußte sich der spätere spanische König Juan Carlos einsetzen, damit jene 1971 zur Beisetzung ihrer Tochter Adelhaid nach Tirol einreisen durfte. Otto von Habsburg, ausgewiesener Europäer und langjähriges Mitglied des Europa-Parlaments, wurde noch 1960 an der Einreise in jenes Land gehindert, das seine Familie groß gemacht hatte.
Was steht hinter dieser Diskriminierung, die sich heute darin manifestiert, daß ein Ulrich von Habsburg-Lothringen, grüner Kommunalpolitiker aus Kärnten, daran gehindert wird, für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten zu kandidieren, nur weil er einen Namen trägt, den Politiker wie Faymann oder Fischer offenbar mehr scheuen als der Teufel das Weihwasser? Wohl sicher auch die Angst, daß die farblosen, prinzipienlosen Politfunktionäre neben einem Habsburger reichlich blaß aussehen könnten; daß die alte schwarz-weiß-Propaganda von den ach-so-volksfernen Aristokraten, die stets nur das Volk ausgebeutet hätten, angesichts von verschleuderten Steuermilliarden nicht mehr verfangen könnte.
Ähnlicher Verdacht könnte auch den bayerischen Stimmbürger beschleichen, wenn er das Trauerspiel um die Kaltenberger Brauerei des Prinzen Luitpold von Bayern verfolgt. Die Stadt München und mit ihr der Freistaat begehen dieses Jahr im großen Stil das 200. Jubiläum eines Festes, das es wohlgemerkt ohne die Hochzeit des Wittelsbacher Kronprinzen Ludwig mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen vor 200 Jahren nicht gäbe. Dennoch kennt die Stadt keinerlei Scham, unter fadenscheinigsten Vorwänden den Nachfahren dieses Kronprinzen nach wie vor von der Festwiese fernzuhalten.
Über den Fall des Ulrich von Habsburg-Lothringen wird demnächst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entscheiden. Über die Politik der Stadt München, das Oktoberfest zu einem Bier-Ballermann ohne jede Tradition verkommen zu lassen, stimmen die Bayern bereits mit den Füßen ab. Warum sollte man/frau auch das sündteure Industriebier internationaler Brauerei-Konzerne saufen (Augustiner ausgenommen!) -, die nur noch nominell ihren Sitz in München haben, und daraus ein sehr dünnes Recht auf ein Zelt auf der Theresienwiese ableiten - und das unter geisttötender Dauerbeschallung, die so wenig mit bayerischer Musik zu tun hat wie Politik mit...aber diesen Vergleich überlassen wir jedem selbst.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen