Dienstag, 13. Dezember 2011

Die falsche Aufregung


Die Sache ist ja abgetan. Die deutsche katholische Bischofskonferenz hat sich von "Weltbild" getrennt. Alle, die sich vorher ueber die Verweltlichung der Kirche, ueber die Zweckentfremdung von Kirchensteuern, ueber den gewaltigen Vertrauensverlust der Kirche entruestet hatten, waren's zufrieden. Der Papst hatte "Entweltlichung" angemahnt, und die verweltlichte deutsche Kirche, die fuer Mammon den Glauben und die Menschenwuerde mit Fuessen tritt, habe sich eines Besseren belehren lassen.

Wenn es denn so einfach und schoen waere! Man hat den Eindruck, die Kirche haette in deutschen Landen keine gewichtigeren Probleme. In konservativen Foren wird regelmaessig darueber Klage gefuehrt, wie der Glaube vor die Hunde kaeme. Dass Hochschulprofessoren das Gegenteil des ueberlieferten Glaubens lehrten, dass sich Bischoefe selten bis nie getrauen, die Politiker an ihre Christenpflichten zu erinnern - siehe den nominell katholischen Bundespraesidenten, siehe die Unions-Politiker, die fuer Donum Vitae arbeiten und sich beschweren, wenn man sie an die Mahnworte des letzten und des jetzigen Papstes erinnert, oder die unseligen Debatten zur Stammzellforschung und zur PID.

Der Felder, die zu beackern waeren, sind es mehr als genug, man kennt sie eigentlich zur Genuege: Schulkinder, die bis zum Abitur trotz katholischen Religionsunterrichts das Glaubensbekenntnis mehr schlecht als recht kennen, usw., usf. Und da erregt man sich ueber einen Medienkonzern, der neben der Masse an vollkommen harmlosen Titeln auch einige Sexratgeber und zweifelhafte Esoterikschinken im Angebot hat!

Man verstehe mich nicht falsch! Selbstredend sollte ein Unternehmen, dessen Eigentuemer die deutsche katholische Kirche ist, darauf achten, was in seinem Namen produziert und verkauft wird. Aber man soll doch die Kirche wahrhaftig im Dorf lassen und den "Skandal" nicht zur Frage auf Sein oder Nichtsein der Kirche hochspielen! Angesichts der Kirchenaustritte, des grassierenden religioesen Analphabetismus ist ein Glaubensstreit ueber fragwuerdige Buchtitel, die bei "Weltbild" erscheinen, nachgerade laecherlich. Dass diese Verlagesgruppe der Kirche gehoert, wussten ja viele noch nicht einmal.

Die Bischoefe haben sich relativ rasch entschlossen, "Weltbild" zu verkaufen. Man wuerde sich wuenschen, sie handelten ebenso rasch, wenn wieder ein durchgeknallter Pfarrer seinen Altarraum leerraeumt und modernisiert, oder ein Professor Unkatholisches vom Vortragspult verkuendet! So bleibt der hastige Verkauf von "Weltbild" ein Placebo, das ausserdem wirtschaftspolitisch toericht ist. Warum konnte man sich nicht nur von den fragwuerdigen Produkten trennen?

Mittwoch, 21. September 2011

Der Papstbesuch



Wenn man den Journalisten, Medienschaffenden und nicht zuletzt vielen unserer Politiker glaubt, ist Papst Benedikt XVI. in Deutschland eigentlich nicht willkommen. Wladimir Putin durfte vor dem deutschen Bundestag sprechen, weil dieses Land auf den Ölreichtum Russlands angewiesen ist. Da sieht man gerne über gewisse menschenrechtliche Probleme hinweg. Der Papst hingegen wird zur Unperson stilisiert, weil er dieses Land auf seinen ethischen Relativismus, seine Schizophrenien hinweist. Freilich tobt sich jetzt wieder der uralte deutsche, antirömische Affekt aus. Rom ist für alles Schlechte in der Welt verantwortlich. Der Zölibat knechte und verbiege den Charakter, tönen diejenigen, die zum Sexualtherapeuten müßten, weil sie von ihrer Sucht nicht loskommen. Der Papst sei willkommen, tönt der Altrevoluzzer und RAF-Sympathisant Christian Ströbele, wenn er sich endlich für die Verbrechen seiner Kirche in Lateinamerika entschuldigen würde. Stillschweigend fallen PID, vorgeburtliche Kindstötung und alles das, was sich laizistische und kirchenfeindliche Regime in diesem und im letzten Jahrhundert haben zuschulden kommen lassen, unter den Tisch.

Der Papst wird von diesen Leuten nicht gefürchtet, weil er sie zum Christentum bekehren könnte, sondern weil er sie an ihr Gewissen erinnert. Mag einer sich noch so antichristlich gebärden, sich noch soviele "Vernunftgründe" gegen den angeblichen Irrsinn des Glaubens ausdenken, das Gewissen rührt sich auch noch im wütendsten linken Atheisten, Anhänger der Giordano-Bruno-Stiftung oder Erz-Grünen. Prälat Wilhelm Imkamp von Maria Vesperbild nannte es einen Erfolg des Papstbesuches, daß schon jetzt heftig über den Besuch gestritten und diskutiert wird. Das Christentum läßt die Menschen nicht kalt. Auch und gerade Medien wie das Hamburger Kampfblatt nicht, die sich in suggestiven Schlagzeilen überschlagen, wenn es um den Papst geht: "Der Unbelehrbare", "Der Unfehlbare". So schwachsinnig und falsch diese Beinamen sind, sie offenbaren, daß diese so streitbaren Weltlichen arme Würstchen sind. Sie sind zu selbstverliebt, um sich ihre Angst einzugestehen, und haben nicht den Mut, sich zur einzigen Hoffnung zu bekennen, die wir haben. Christus ist Mensch geworden, um uns von dieser Angst zu befreien.

Der Papst ist nicht der absolutistische Monarch, der antidemokratische Wüterich, als den ihn seine Feinde beschreiben. Er ist der demütige Diener seines Herrn, der unser aller Herr ist. Und als diesen sollten ihn alle Menschen guten Willens in seiner Heimat willkommen heißen!

Sonntag, 31. Juli 2011

Ein Plattenbau für die Freisinger Altstadt


In diesen Tagen, da die Wellen über den Bau der dritten Startbahn hochschlagen, ist viel von Flächenverbrauch und dem Schaden die Rede, den man damit Mensch, Umwelt und dem Erbe antut, das wir unseren Kindern hinterlassen wollen. Daß gleichzeitig, ja tagtäglich in unseren Städten dieses Erbe beeinträchtigt, ja zerstört wird, scheint niemanden zu interessieren. Offiziell wird zwar in jeder Sonntagsrede von unserem schönen München schwadroniert, von den Altstädten Freisings oder Nürnbergs, während eben gleichzeitg in dieses Erbe hemmungslos eingegriffen wird.

Nehmen wir zum Beispiel München. In einem früheren Beitrag haben wir schon erwähnt, daß die Strecke zwischen Donnersbergerbrücke und Hauptbahnhof mittlerweile von Gebäuden gesäumt wird, die diesen Namen eigentlich nicht verdienen. Weiße, gesichtslose Kästen, seelenlose, unästhetische Legebatterien für jene, die meinen, um jeden Preis im Zentrum Münchens wohnen zu müssen. Ganz abgesehen davon bieten sie dem mit der Bahn anreisenden Touristen ein eher abschreckendes Bild des angeblichen "Millionendorfs" München.

Wer Freising besucht, wird auch eher den Domberg und die so typisch altbayerische Altstadt im Kopf haben. Wer unbedingt moderne, "zeitgemäße" Architektur besichtigen will, kann dies nach Herzenslust in Frankfurt oder anderen "Metropolen" tun. Auch wer an den unsäglichen architektonischen, einstmals modernen Relikten der untergegangenen DDR interessiert ist, muß sich beeilen, denn in den nicht mehr so neuen neuen Bundesländern werden die Plattenbauten mittlerweile "rückgebaut", wie es so schön im Amtsdeutsch heißt. Man reißt sie ab, weil niemand, aber auch niemand in diesen menschenunwürdigen Bruchbauwerken mehr wohnen möchte.

Aber nichts ist so scheußlich, daß es nicht noch Nachahmer finden würde. In der Ziegelgasse im schönen, ach so altbayerischen Freising, geht man momentan daran, die eigentlich ad acta gelegte Episode der deutsch-deutschen Geschichte unfröhliche Urstände feiern zu lassen. Mag der Neubau innerlich auch auf dem neuesten Stand der Zeit sein, was Wohnkomfort und ähnliches betrifft. Äußerlich ist er schlicht und einfach ein Schandfleck. In jedem Neubaugebiet, wo sich ein Schachtelhäuschen an das nächste reiht, würde er sich wunderbar einfügen. Aber inmitten der altehrwürdigen Häuser ringsum, in einem relativ intakten Altstadtgefüge ist diese Form der Architektur ein Schlag ins Gesicht. Warum ist es nicht möglich, eine Fassadenform zu finden, die sich den umstehenden Häusern anpasst, die nicht brutalstmöglich mit diesen kontrastiert? Müssen moderne Architekten mit ihren Bauwerken der Tradition unbedingt ihre Verachtung ins Gesicht schreien?

Apropos Tradition, Erhaltung unserer geschätzten bayerischen Altstädte? Wo sind die, die sonst bei jeder Gelegenheit im Trachtenanzug aufmarschieren und wortreich diese Tradition beschwören? Und was sagt das Landesdenkmalamt zu solchen architektonischen Einbrüchen in gewachsene Altstädte?

Mittwoch, 6. Juli 2011

Otto von Habsburg



Nur wenige Monate später ist nun Otto von Habsburg seiner Gattin nachgefolgt. Der Tenor der Berichterstattung ist sich zumindest darin einig, daß eine große Persönlichkeit von uns gegangen ist, daß mit Erzherzog Otto von Habsburg eine Epoche zuendegeht. Wen gibt es auch sonst, der eine derart lange Zeitspanne hätte überblicken können, von der Zeit vor dem ersten Weltkrieg über die Katastrophe der Hitlerdiktatur, die drückenden Jahre des Kommunismus bis in die Gegenwart unter dem Zeichen der europäischen Einigung? Otto von Habsburg war nicht nur Zeitzeuge, er hat aktiv eingegriffen, sich gegen die kommunistische Drangsal mit Wort und Tat gewehrt, er hat selbst sein Leben eingesetzt, um Österreich vor der braunen Unterdrückung zu bewahren. Welcher unserer gegenwärtig aktiven Politiker könnte das von sich sagen? Und dennoch ist die Reaktion in politischen Kreisen auf sein Ableben relativ lau, einmal abgesehen von den üblichen Beileidsbekundungen.

Die "Süddeutsche" spricht in typischer herablassender Süffisanz von "Otto dem Letzten", und im ORF ist in unterträglicher Impertinenz stets von "Otto Habsburg" die Rede, so als ob man noch über das Grab hinaus ein Bekenntnis zu den unseligen Habsburgergesetzen ablegen müßte. Mancher scheint seinen Gleichheitsdünkel, die händereibende Genugtuung, daß auch ein Habsburger in das Bürgerliche hinabsteigen mußte, auch jetzt noch auskosten zu müssen. Dabei ist die Crux eben die, daß das dem Sohn des (vorerst) letzten Kaisers von Österreich-Ungarn weniger Kopfzerbrechen bereitet hat als seinen kleinbürgerlichen Kritikern. Seine Mutter, Kaiserin Zita, hatte ihn Pflicht-, Verantwortungsgefühl und vor allem einen festen Glauben gelehrt. Wohin ihn das Schicksal stellte, daraus wußte er das beste zu machen.

Zahllose Vorträge, viele Bücher und Aufsätze, sein Engagement im Europaparlament in einem Alter, in dem andere EU-Parlamentarier längst ihre Pension verjubeln, all das zeigt, daß Otto von Habsburg sein Leben als Pflichterfüllung im Dienste eines Höheren verstand. So und damit richtig gesehen ist Gottesgnadentum die Verpflichtung, die aus der besonderen Stellung erwächst. Otto von Habsburg lebte in dem Bewußtsein, das ihn seine Mutter und sein tieffrommer Vater, der selige Karl von Österreich-Ungarn, gelehrt haben, daß er dereinst für das, was er im Diesseits getan hat, Rechenschaft würde ablegen müssen. Ein Bewußtsein, das unseren Profipolitikern vollkommen abgeht, das ihn auch nicht mehr verständlich zu machen ist.

Sein Vorbild ist eine Mahnung, die man am besten durch Herunterspielen, durch Verweis auf einen angeblichen inexistenten "Habsburg-Mythos" und "Sissi-Sentimentalitäten" zu zerstreuen versucht. Otto von Habsburgs Leben und Leistung sind ein Vorbild für alle jene, denen unsere Gesellschaft am Herzen liegt, eine Gesellschaft, die immer mehr den Technokraten, Bürokraten und Ideologen zu erliegen droht. Wir verneigen uns in Dankbarkeit, Ehrfurcht und Respekt vor einem großen Menschen, Politiker und Christen.

Der Herr lasse ihn ruhen in Frieden, und das ewige Licht leuchte ihm!

Montag, 4. April 2011

Wutchristen, graue Panther und die Zukunft der Kirche


Allenthalben ist ja momentan vom "Wutbürger" die Rede, oder positiver gewendet vom bürgerschaftlichen Engagement (Heiner Geissler), das sich in der Zerstörung von Schutzzäunen vor Stuttgart 21 oder der Vermöbelung von Polizeibeamten äußert. Diese neue Bewegung ist nur deswegen populär, weil sie sich gegen alles richtet, was dem linksliberalen Establishment gegen den Strich geht. Würde die dreifache Zahl an konservativen Wutbürgern auf die Straße gehen und Transparente hochhalten, wäre das dem Hamburger Nachrichtenmagazin oder der süddeutschen Postille keine Zeile wert. Siehe Theologen- bzw. Professoren-Memorandum contra "Pro-Ecclesia": hie unterschrieben etwas mehr als 311 betagte, unbelehrbar vom Konzilsgeist-Enthusiasmus angekränkelte, im Grunde vom Glauben abgefallene "Theologie"-Professoren und "PastoralreferentInnen", dort waren es mehr als 14.000. In der Mainstream-Presse - (fast) kein Kommentar.

Daß das Wutbürgerliche ein altersloses Phänomen ist, zeigte sich jüngst auch in Bonn. Kregel und frohgemut erklärten rüstige Senioren der Konzilsgeneration, sie hätten zum erstenmal einen Facebook-Account aufgemacht, wüßten jetzt wie man twittere, und auch eine Demonstration hätten sie schon beim Polizeipräsidenten angemeldet. Doch was treibt die Silberhaarigen an (bei allem Respekt vor dem Alter)? Man höre und staune: Daß der Erzbischof von Köln die Gläubigen an das Wesentliche im Leben, die echte Liebe, erinnert hat, und daß sie einen neuen Pfarrer bekommen haben, der den Protestlern aber nicht passt, weil sie gerne mitbestimmt hätten, wen sie da "vorgesetzt" bekommen.

Die Begeisterung der angeblich meinungsbildenden Medien für den Wutbürger würde sofort auf Null sinken, wenn die (wirklich) katholischen Wutbürger deren Redaktionsgebäude angreifen würden, aus Protest gegen polemisch antikirchliche Artikel, die aus jeder kirchenpolitischen Mücke einen Elefanten zu machen versuchen. Aber da das der Katholik nicht tut, wird gnadenlos auf ihn eingedroschen. So wieder einmal, zum hundertausendsten Mal in der jüngsten Ausgabe des Spiegel. Und der Gegenstand der maßlosen Entrüstung gilt dem "Wachhund" der Kirche, dem Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner, der das unglaubliche Verbrechen begangen hat, seine Gläubigen an die Lehre der Kirche zu erinnern. In einem Hirtenbrief "wettere" er, so das Hamburger Magazin, "gegen Sex vor der Ehe". Von wettern kann keine Rede sein. Wer sich den Brief vorurteilslos durchliest, findet nichts von jenem reaktionären Hautgout, den das Magazin unterstellt, vielmehr Sinn für die Probleme unserer Zeit, für die Sehnsucht nach Liebe und erfüllter Sexualität abseits der egoistischen Triebbefriedigung, den uns der Mainstream immer noch vorschreibt. Und den auch die Politik trotz demographischer Katastrophe und sexueller Verwahrlosung der Heranwachsenden durch allzeit verfügbare Internet-Pornographie noch immer nicht als Problem erkannt hat.

Es hat schon etwas Komisches an sich, wenn alternde Demonstranten von der Hamburger Postille als die neuen "Wutchristen" vorgestellt werden. Enthaltsamkeit ist nicht ihr Problem, sondern die Wut über eine "diktatorische Personalentscheidung" des Kölner Erzbischofs! Man höre und staune! Da wird landauf, landab über den Priestermangel geklagt, und ein paar "Wutchristen" empören sich darüber, daß sie überhaupt noch einen Kleriker abkriegen. Und die Hamburger Journaille reibt sich die Hände, daß der Wutbürger-Funke auch auf die Laien-Konzilsgeneration der Sechzig- und Siebzigjährigen überspringt.

Dieses billige Spiel haben gerade die jungen Katholiken längst durchschaut, von denen viele das Gegen-Memorandum unterzeichnet haben. Merke: Auf Kritik, besonders wenn sie berechtigt ist und noch dazu wenn sie von der Kirche kommt, reagieren vor allem die am empfindlichsten, die sonst jeden Rabauken zum Wutbürger und jeden Wichtigtuer zum Wutchristen hochstilisieren.

Und um sich selbst eine (unverzerrte) Meinung davon zu bilden, was Kardinal Meisner wirklich gesagt hat: http://www.erzbistum-koeln.de/export/sites/erzbistum/dokumente/erzbischof/hirtenworte/jcm_hw_11_fastenzeit.pdf

Donnerstag, 3. März 2011

Guttenberg und kein Ende


Man sollte von Politikern ja niemals erwarten, daß sie Heilige wären, daß sie sich auch nur bemühen würden, nach den hohen Prinzipien, die sie stets vor sich hertragen, auch zu leben. Die Linke schwadroniert von Solidarität, Enteignung der Besitzenden, schürt nach Kräften den Sozialneid. Doch kein Gysi oder Ernst geht in Sack und Asche. Für Sozialdemokraten besteht Gerechtigkeit in der permanenten Umverteilung von oben nach unten, der Geldverschwendung mit gutem Gewissen. Und die Christdemokraten führen zwar das Christliche noch im Parteinamen, wollen sich darauf aber nicht mehr wirklich festnageln lassen. Soviel zum Thema Ehre, Anstand und Prinzipientreue in der deutschen Politik.

Nicht nur deshalb klingt die Tugenboldigkeit, die gerade Politiker wie Trittin und Konsorten im Falle Guttenberg auf einmal angefallen hat, so doppelbödig, ja verlogen. Kein Fischer, kein Schröder, kein Trittin ist je auf sein Verhältnis zur Staatsgewalt, seine laxe Moral, seine Relativierung der russischen Demokratiedefizite oder die Verherrlichung der RAF derart hart herangenommen worden wie der fränkische Baron. Das sind alles verzeihliche Fehler, weil sie mit gutem, linkem Gewissen geschahen.

Und da geschieht nun das Unglaubliche: ein gutaussehender junger Politiker, der nicht jeden Satz vom Blatt ablesen muß, der nicht mit scheußlichen Krawatten herumläuft, dem die Anzüge sitzen, und der obendrein noch gute Politik macht, und sich nicht für jeden Satz bei den linken Moralaposteln in der Politik und den Medien entschuldigt, ist beim Volk populär. Und das auch noch, obwohl er Adeliger ist. Die Opposition, die nun alles tut, um ihn abzuschießen, und die sonst dem Volk stets nach dem Maul redet, aber das Gegenteil tut, übt sich in Volksverachtung. Das Volk wüßte es nicht besser, es sehne sich nach einem Idol, das aber ein Luftikus im Maßanzug sei. Sein konservatives Weltbild, das er vor sich hertrage, sei leer.

Das sagen ausgerechnet die, die Tugenden als sekundär verdammen. Die die Soldaten in Afghanistan links liegen lassen, obwohl die mit Leib und Leben sich für die Sicherheit unserer Gesellschaft einsetzen. Nur deshalb heulte die Medien- und Politikermeute auf, als Guttenberg, diesmal mit Frau, zum wiederholten Male nach Afghanistan aufbrach. Das dumme Geschwätz von Instrumentalisierung sollte nur verdecken, daß es manchem einfach zuwider war, daß um die Soldaten im Einsatz soviel Wirbel gemacht wird. Der Einsatz an sich ist ihnen zuwider, also soll man gefälligst auch so wenig wie möglich darüber reden.

Die Plagiatsgeschichte ist diesen selbstgerechten Herren und Damen vollkommen egal. Ihr Neidkomplex hätte sein Genügen bereits an der ärgerlichen Popularität dieses dünkelhaften Jungschnösels gehabt. Daß Guttenberg ihnen den Gefallen tat, ihnen mit seiner abgekupferten Doktorarbeit den Vorwand zu liefern, ihr kleinliches Mütchen zu kühlen - das ist ihm wahrlich vorzuwerfen. Der Vorwurf fällt aber auf eine Politikerkaste zurück, die sich selbstzufrieden, fett und moralinsauer zum Richter aufwirft, obwohl ihnen das am schlechtesten zu Gesichte steht. Wer an kein jüngstes Gericht, geschweige denn an Sünden glaubt, aber den Tugend-Weltenrichter im hier und jetzt spielt, macht sich lächerlich.

Der Fall Guttenberg hat gezeigt, daß die Demokratie nicht überleben kann, wenn sie nur verwaltet wird. Sie muß auch Identifikationsfiguren haben, Politiker, die diese glanzlose Republik im wahrsten Sinne des Wortes repräsentieren können. Die Politbürokratie grauer Parteimäuse verliert für jedermann sichtbar an Zuspruch. Der überwältigende Zuspruch für Guttenberg ist der sichtbare Protest, der unseren Volksvertretern zu denken geben sollte. Und er bleibt überwältigend populär trotz des Dissertationsproblems, weil die Mehrheit merkt, daß dieses Problem nur vorgeschoben ist. Die Zwerge wußten sich nicht mehr anders zu helfen, um den Riesen zu stürzen.

Montag, 7. Februar 2011

Offener Brief an deutsche Theologen


Der Kulturjournalist Alexander Kissler hat nach seinem offenen Brief an Bundestagspräsident Lammert, der die Zulassung katholischer verheirateter Männer zum Priesteramt gefordert hatte, heute einen weiteren offenen Brief an die Theologen gerichtet, die das "Memorandum 2011" unterzeichnet haben:

Meine lieben deutschen Theologen,

den lieb ich, der Unmögliches begehrt? Wäre es so einfach, wie es das Zitat behauptet, müssten wir alle uns ergriffen an die Brust fassen und eine Träne der Rührung verdrücken und stolz ausrufen: ach, unsere guten deutschen Theologen, wie schön, dass wir sie haben.

So aber, meine lieben Theologen, ist es nicht, zumindest dann nicht, denke ich speziell an Euch, an jene bisher 193 meist habilitierten und staatlich bestallten Lehrenden, die Ihr ein „Memorandum 2011“ unterzeichnet habt. Ja, Ihr wollt Unmögliches, Ihr wisst es genau, und dennoch fällt es mir schwer, Euch als Himmelsstürmer, Weltenstürzer so hoch einzuschätzen, wie Ihr selbst Euch vermutlich einschätzt.

Ihr wisst, dass Eure behend hervorgeholten Forderungen nicht verwirklicht werden. Noch mehr Frauen am Altar, ergänzt durch verheiratete Priester, gerne auch geschieden, gerne auch schwul: Warum sollte diese mit katholischer Tradition komplett brechende Agenda irgendein Bischof in Rom vortragen? Zumal sie aus einem Land stammt, in dem nicht einmal zwei Prozent aller Katholiken leben, von denen wiederum nicht alle Euch applaudieren.

Unmögliches begehrt Ihr, das allein darf man Euch nicht vorwerfen. Vielleicht hat Euch zu später Lebensstunde Sturm und Drang gepackt? Das wäre schön und nicht zu neiden. Aber es sind eben vor allem Exerzitien der intellektuellen Selbstkasteiung, denen Ihr Euch hingebt. Ihr stellt euch – bitte entschuldigt das harte Wort – viel, viel schlichter, als Ihr seid. Ihr spiegelt uns eine Armut im Geiste vor, die keinem von Euch wirklich eigen sein kann.

Ich kenne Euch, Euch kluge Professoren Biesinger und Bremer, Höhn und Mieth und Striet und Schockenhoff, und Ihr und die 187 anderen wollt uns glauben machen, Ihr hättet ein so schlichtes Gemüt, ein so schwaches Gedächtnis, wie es aus dem „Memorandum“ entgegen schlägt? Ihr müsst es besser wissen. Ihr wisst es besser. Und darum ist Euer Memorandum – entschuldigt bitte abermals – ein Witz, der nicht zündet, eine Maskerade, die nicht glückt.

Ihr schreibt von einer „beispiellosen Krise“, einer „tiefen Krise unserer Kirche“ anno 2010/2011. Was waren die Christenverfolgungen der Urkirche, waren die Spaltungen im 11. und 16. Jahrhundert, war der Kulturkampf, war die bedrängte Zeit im „Dritten Reich“, war die antikirchliche Staatsdoktrin der DDR? Allesamt waren das demnach minder schlimme Krisen, Kriselchen, denn „beispiellos“ soll nur die Gegenwart sein. Sollte Euch, die Ihr gewiss die hebräische Bibel gelesen habt und die Apokryphen, das Gedächtnis plötzlich nur bis ins Jahr 1990 zurückreichen? Man liest und fühlt sich veralbert.

Die Krise, die Ihr meint, speist sich aus den in der Tat absolut erschütternden Fällen sexuellen Missbrauchs, die in jüngster Vergangenheit ans Licht kamen. Aber wieso, bitteschön, begegnet man den „Ursachen von Missbrauch, Verschweigen und Doppelmoral“ am besten durch einen „offenen Dialog über Macht- und Kommunikationsstrukturen“? Würde das einen kranken, innerlich längst vom Glauben abgefallenen Menschen davor bewahren, einem anderen Menschen wehe zu tun?

Nein, man kann hier fast den Eindruck gewinnen, schlimme Vorfälle dienten zum willkommenen Nagel, an dem noch einmal ein verstaubtes Bild aufgehängt werden soll: das Bild von der ramponierten Kirche, die Ihr, liebe Theologen, mit eigener Hand zurecht biegen wollt. Jeder Klempner ist dem Rohrbruch gut Freund. Wer sich gesund wähnt, hat nur den falschen Arzt.

Therapeutisch wollt Ihr, liebe Professoren, eingreifen in den Strom der Zeit. Ihr ortet „verknöcherte Strukturen“ – weil Ihr selbst sie nicht ersonnen habt? Und noch einmal: Braucht diese Diagnose nicht das apokalyptische Szenario, das Ihr zeichnet, um nicht sofort als staubtrockener Antrag auf eine innerkirchliche Verwaltungsreform enttarnt zu werden? Man liest, hört die Absicht, ist verstimmt.

Schlichtest erscheint auch die Berufung auf das Zweite Vatikanum, das Ihr gewiss ein und aus studiert habt. Es dient hier als Einwickelfolie für die Forderung, von der „modernen Gesellschaft“ zu lernen. Das Zweite Vatikanum hat aber exakt jene Verfasstheit von Kirche bekräftigt, die Ihr nun überwinden wollt. Warum schreibt Ihr dann nicht, es sei Zeit, sich vom letzten Konzil zu lösen? Das wäre ehrlich und mutig und also das Gegenteil des tatsächlich Gesagten.

Gläubige bleiben der Gemeinde fern, schreibt Ihr weiter, wenn sie sich nicht „an der Leitung ihrer Gemeinde beteiligen“ dürfen. Woher wisst Ihr das? Kommt der Katholik zur Messe, weil er leiten will? Ist das der Inhalt der Liturgie: Einübung in Leitungskompetenz? Auch hier gilt: Ihr wisst es besser.

Und schließlich ist der fordernde Ton aus dem Munde reiferer Herrschaften bemerkenswert. Spricht man so, wenn man sich auf der Speckseite des Lebens angekommen wähnt? Ihr setzt „Sünder“ in Anführungszeichen, reduziert die Bibel auf eine sehr diesseitige „Freiheitsbotschaft“ – wo bleibt übrigens das Alte Testament? –, plädiert für „Befreiung und Aufbruch“ als Resultat eines „Dialogprozesses“, redet aber zugleich im Kasernenton. Es gelte, es müsse, es dürfe nicht: Das „Memorandum“ wirkt wie die Parodie auf einen Einberufungsbefehl. Stillgestanden, reformiert euch, weggetreten!

Natürlich werden die 1,17 Milliarden Katholiken deshalb keine schlaflosen Nächte bekommen. Es ist ja nur eine schiefe Maskerade, ein Witzlein aus Germanien. Was aber, frage ich Euch, werdet Ihr nun in Euren Vorlesungen, Übungen, Seminaren tun? Mit doppelter Energie und in kirchlichem Auftrag wider die wunschgemäß als „verknöchert“ entlarvte Kirche wüten?

Nein, das werdet Ihr nicht tun. Ihr habt ja geschrieben, ein „echter Neuanfang“ sei nötig und jede Menge „Mut zur Selbstkritik“. Also werdet Ihr ganz anders reden, als Ihr es noch im „Memorandum“ tatet. Ihr werdet neu anfangen in der Disziplin des Dienens und des Glaubens und Euch von niemandem in Eurer Selbstkritik übertreffen lassen. So wird es kommen.

Mit hoffnungsfrohen Grüßen,
Alexander Kissler.

Samstag, 5. Februar 2011

Der Moment der opportunistischen Superdemokraten


Vor einigen Tagen hat die versammelte linke Journaille dem deutschen Verteidigungsminister vorgeworfen, er ließe sich von der Bild-Zeitung zu unbedachten Handlungen anstiften. Wenn doch Journalisten nur einmal vor der eigenen Tür kehren würden, oder noch besser: wenn sie einmal nicht nach Tagesmeinung urteilen würden. Aber das würde wohl ihren beschränkten Horizont und ihren Charakter überfordern.

Denken wir einmal ein paar Jahre zurück. Als der Krieg in Jugoslawien ausbrach, wieviele Journalisten hatten es plötzlich schon immer gewußt, daß Herr Milosevic ein übler Panzerkommunist sei, daß er der Alleinschuldige an der Bosnien- und der Kosovo-Katastrophe wäre. Vor ein paar Jährchen mehr hatte sich mit wenigen Ausnahmen keiner dieser neumalklugen Herren für Milosevic, für die ethnische Gemengelage auf dem Balkan auch nur für eine Sekunde interessiert. Aber auf einmal waren sie alle Balkan-Experten und verfluchten Peter Handke, der es sich erlaubt hatte, auf die Selbstgerechtigkeit und die Ignoranz des Westens zu verweisen.

Nach Ägypten hat der gemeine Journalist auch nur einen kurzen Blick geworfen, als vor ein paar Jahren ein Attentat auf Touristen die Öffentlichkeit aufhorchen ließ. Dann war Ägypten wieder das Land der freundlichen Menschen, der Stabilität, die vielleicht höchstens durch einige Scharfmacher getrübt würde. Mubarak wurde zwar nicht unbedingt als lupenreiner Demokrat vorgeführt, aber als Diktator auch nicht apostrophiert. Kaum sind die Straßen und Plätze in Kairo und Alexandria voll von Demonstranten, haben es alle schon immer gewußt. Unterdrückung, Diktatur, schreien die Opportunisten im Chor. Und jeder Verweis darauf, daß auf der Straße vielleicht nicht nur wohlmeinende Demokraten und Liberale unterwegs sind, wird als westliche Arroganz abgekanzelt. Niemand, der darauf verweist, daß die Hintergründe der öffentlichen Unruhen erst ausgeleuchtet werden müssen, ist eine Freund Mubaraks.

Aber die Ängste der koptischen Christen in Ägpyten, die schon wieder Opfer eines Anschlags wurden, sind ernst zu nehmen. Auch die der Israelis, die die schiitischen, vom Iran gestützten Radikalen im Libanon ebensowenig kalt lassen kann, wie ein Ägypten, in dem Muslimbrüder die Palästinenser von der Hamas jenseits der Grenze unterstützen. Obama hat sich wenigstens für einen geordneten Übergang ausgesprochen und das ägyptische Militär aufgerufen, dabei mitzuhelfen. Europa sagt entweder nichts oder überschlägt sich in demokratischem Optimismus. Realpolitik sieht anders aus. Aber die kann man auch nicht von Leuten erwarten, die bei jeder neuen Meinungsumfrage und jedem neuen Geschrei von der Straße umfallen.

Was das Jugoslawien-Debakel betrifft, hat sich da und dort eine gewisse Einsicht breit gemacht, wofür es aber schon verdammt lange gedauert hat. Auch das Beispiel Ägypten gibt wenig Grund zur Hoffnung.

Die Stunde der ewigen Protestanten


Soll man weinen oder lachen? Eigentlich müßte man mit einem Schulterzucken darüber hinweggehen, so abgestanden und tausendmal überholt sind die Forderungen der 100 und einige Professoren, die dieses Memorandum für den Aufbruch der Kirche unterzeichnet haben. Was diese katholischen Gottesgelehrten, die längst in der Wolle gefärbte Protestanten sind, wirklich wollen, gibt es schon längst. Einen protestantischen Gebetsverein, der allen lästigen dogmatischen Ballast abgeworfen hat. Der das Evangelium den Torheiten des Zeitgeistes anpasst. Was diese Herren und Damen treiben, darüber würde sich der alte Luther die Haare raufen! Und wirklich freuen kann er sich auch nicht, daß jetzt selbst die Katholiken seine Forderungen links überholen wollen.

Kardinal Brandmüller hat vollkommen recht, wenn er die Forderung nach Aufhebung des Zölibats als fortgesetzte Beleidigung der Mehrzahl der Priester betrachtet, die ihre Berufung anständig leben. Es dürfe nach den unsagbaren Mißbrauchs-Skandalen des letzten Jahres nicht "zur Tagesordnung" übergegangen werden, schreiben die professoralen Revoluzzer. Aha, der Zölibat ist also doch ursächlich für den Mißbrauch. Wie blind und vernagelt muß man sein? Aber es geht eben hier überhaupt nicht um eine wirkliche Reform der Kirche. Der alte Marsch durch die Institutionen, die Besetzung der Positionen, das ist das Ziel. Man will mit Hilfe reformistischer Kader die Kirche und die Lehre weiter unterminieren, bevor die so arg verlästerten "Konservativen" das Ruder übernehmen. Denn die Reformer hatten in den letzten vierzig Jahren mehr als genug Zeit, die Kirche auf den "Kurs in die Zukunft" zu bringen, mittels Entmündigung der Geistlichen durch Pfarrgemeinderäte, über die Entleerung der Dogmen, die Reduzierung der Messe zu einem Ringelpiez und zig andere Reförmchen, die Rom im nachhinein absegnen mußte. Und was hat sich geändert? Die Leute, die den Glauben ernst nehmen, haben die Kirche verlassen. Sie wollten schlicht diese Reform nach dem Parteiprogramm der Zeitgeistler nicht, die die heilige Schrift nur dann interessiert, wenn sie ihre Reformphantasien bedient.

Die ProfessorInnen kommen jetzt zum tausendsten Mal mit ihren unerträglich ermüdenden Forderungen, weil sie merken, daß der Wind sich dreht. Die verlästerten "Konservativen" drängen nach. Die Zeit der 68er in der Kirche ist vorbei. Ihre Gesellschaftsexperimente sind gescheitert. Das sozialistische Gleichheitsgedöns hat nicht nur im Osten kaputte Landschaften hinterlassen, die Kirche hat sie im wahrsten Sinne des Wortes ruiniert. Kirchen wurden ausgeräumt, die Lehre entkernt. Aber der Ideologe ruht erst, wenn er vor einem Scherbenhaufen steht. Heiliger Vater bleib standhaft vor dem deutschen Ungeist, an dem die Weltkirche mal wieder genesen soll!

Dienstag, 25. Januar 2011

Schwarzer Schwan


Im Meer der Action-, Kriminal-, Horror- und Metzelfilme ist man über jeden Film froh und glücklich, der den Menschen nicht als Knetmasse futuristischer oder perverser Anwandlungen mißbraucht. Der neue Mensch der Mainstream-Filmwerke ist gegen jede Verletzung gefeit oder ein reines Produkt seiner sozialen Umgebung, ein chemisches Gesamt, das von Kriminalfachleuten sozial und physisch seziert wird. Umso erfreulicher ist ein Film, der den Menschen wieder über sich hinauswachsen läßt. "Black Swan" mit Natalie Portman ist so ein Film. Eine Balletttänzerin, die unter dem Perfektionswahn ihrer Übermutter leidet, die aber diesen soweit verinnerlicht hat, daß sie um jeden Preis den Traum leben will, der ihrer Mutter verwehrt blieb. Ihre Mutter möchte ihre Tochter deshalb auch von jenen schmutzigen Begleiterscheinungen bewahren, die der Ballettbetrieb leider auch mit sich bringt. Ihre Tochter wehrt sich gegen die Verführungsversuche durch ihren Lehrer, gegen die Versuche einer Konkurrentin, sie in den Sumpf ihrer Welt von Betäubung und Drogenkonsum hinunterzuziehen. Dafür muß sie den Preis bezahlen. Sie wird gemobbt, bedrängt, bedroht, solange bis sie Realität und Trauma verwechselt. In einem Angstanfall während der Premiere von "Schwanensee" meint sie schließlich, ihre Konkurrentin umzubringen, während sie tatsächlich sich selbst schwer verletzt.

Genie und Wahnsinn liegen nahe beieinander. Daß sie das tun liegt auch daran, daß die auf Perfektionismus getrimmte Welt des Balletts das Genie zwar ersehnt, herbeiwünscht, aber es mit allen Mitteln bekämpft, mit Neid und Mißgunst, wenn es sich denn hervorwagt. Nichts haßt das Mittelmaß mehr als das Bessere. Das Talent wird aus der Ferne bewundert, aber in der Nähe will man es nicht dulden. Die Beispiele der Menschen sind Legion, deren Genie, weil es die Mitwelt nicht begriff, kleingeredet, angezweifelt, ins Reich des Abseitigen, des Wahnsinigen verschoben wurde.

"Black Swan" ist auch eine Paraphrase unserer gegenwärtigen gesellschaftlichen Malaise. In der Kunst, in der Politik, wird bei jeder Gelegenheit der Mangel an Persönlichkeiten beklagt. Doch eine kleingeistige, neiderfüllte Mentalität bewirkt, daß in Schule oder Politik das was das Mittelmaß überragt, nicht hochkommt. Alles andere wäre Elitismus, ereifern sich die Hohepriester der Gleichheit. An dieser Realität zerbrechen diejenigen, die mehr als den kleinsten gemeinsamen Nenner erfüllen könnten.

Nur ganz nebenbei fragt man sich, warum immer mehr angloamerikanische Filme mit ihren originalen Titeln ins Kino kommen. "Black Swan" zu übersetzen ist nun wirklich kein Hexenwerk. Bei Redewendungen oder Neuschöpfungen ließe sich noch darüber reden, den originalen Titel beizubehalten.

Donnerstag, 6. Januar 2011

Das Reizwort Assisi


An Assisi scheiden sich die Geister. Für die einen ist es Symbol eines versöhnten Miteinanders der Religionen, für die anderen das Menetekel eines Synkretismus, eines religiösen Indifferentismus, der nach dem zweiten Vatikanum die Kirche erfasst zu haben scheint.

Vor 25 Jahren, am 27. Oktober 1986, hatte Papst Johannes Paul II. Vertreter christlicher Konfessionen, aber auch unterschiedlichster Religionen zu einem Friedensgebet eingeladen. Um Bedenken auszuräumen, hier würde der Stellvertreter Christi auf Erden die alles überragende Heilsbedeutung des katholischen Glaubens relativieren, wenn er mit Häretikern und Leugnern der Gottheit des Herrn gleichberechtigt betet, hieß es, der Papst hätte nicht mit, sondern nur neben ihnen um den Frieden gebetet. Wegen des Eindrucks des Indifferentismus, ja Synkretismus hatte auch der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Ratzinger, Bedenken geäußert. Umso mehr überrascht, daß er für dieses Jahr ein neuerliches interreligiöses Treffen in Assisi angekündigt hat.

Das Problematische an Assisi hat auch die Predigt im Freisinger Dom zum Dreikönigstag offenbart. Einerseits meinte der Geistliche, Epiphanie sei der Tag, der zeige, wem die wahre Anbetung gebühre, dem Herrn, dem alle Herrschaft über die Welt zustehe, obwohl er damals, als ihn die Könige anbeteten, nur ein Kind war. Andererseits meinte er, Assisi sei nichts, was den Vertretern der anderen Religionen, die sich nun, Gott sei's gedankt, in Assisi treffen würden, Angst einjagen müßte, denn der christliche Glaube würde die anderen Religionen "nicht überstrahlen". Genau das tut er, was der Prediger auch im ersten Teil seiner Ausführungen so richtig feststellte. Und genau darum ist auch das gemeinsame Gebet so problematisch.

Es heißt, hier würden die verschiedenen Religionen Bekenntnis zum Frieden ablegen, und schon darum sei das gemeinsame Gebet wichtig und bedeutsam. Es verdunkelt nur zwei wesentliche Tatsachen. Erstens haben die Vorkommnisse in Alexandria, der Anschlag auf die Kopten, bei dem etliche Christen ums Leben kamen, erneut gezeigt, von welcher Religion die Gewalt heute wirklich ausgeht. Um Frieden zwischen den Religionen zu beten ist ansgesichts einer weltweiten Christenverfolgung, die mittlerweile selbst unsere sonst so indifferenten Medien bemerkt haben, zumindest zwiespältig. Ob ein gemeinsames Zeichen die Radikalität einer Religion, deren Vertreter keine glaubwürdigen Anzeichen der Reue geben, wirklich mildern kann, bleibt zu bezweifeln.

Die zweite Tatsache fällt schwerer ins Gewicht. Mag auch das gemeinsame Gebet als innerweltliche, politische Geste im Gedächtnis bleiben, ist ihr religiöses Gewicht doch zu vernachlässigen. Den wahren Frieden kann nur Christus, der die Welt erlöst hat, bringen. Welchen Wert sollte in den Augen Gottes also ein Gebet haben, an dem sich auch die beteiligen, die an die Erlösungstat des Sohnes Gottes nicht glauben, die sie ablehnen und verwerfen?