Samstag, 5. Februar 2011

Der Moment der opportunistischen Superdemokraten


Vor einigen Tagen hat die versammelte linke Journaille dem deutschen Verteidigungsminister vorgeworfen, er ließe sich von der Bild-Zeitung zu unbedachten Handlungen anstiften. Wenn doch Journalisten nur einmal vor der eigenen Tür kehren würden, oder noch besser: wenn sie einmal nicht nach Tagesmeinung urteilen würden. Aber das würde wohl ihren beschränkten Horizont und ihren Charakter überfordern.

Denken wir einmal ein paar Jahre zurück. Als der Krieg in Jugoslawien ausbrach, wieviele Journalisten hatten es plötzlich schon immer gewußt, daß Herr Milosevic ein übler Panzerkommunist sei, daß er der Alleinschuldige an der Bosnien- und der Kosovo-Katastrophe wäre. Vor ein paar Jährchen mehr hatte sich mit wenigen Ausnahmen keiner dieser neumalklugen Herren für Milosevic, für die ethnische Gemengelage auf dem Balkan auch nur für eine Sekunde interessiert. Aber auf einmal waren sie alle Balkan-Experten und verfluchten Peter Handke, der es sich erlaubt hatte, auf die Selbstgerechtigkeit und die Ignoranz des Westens zu verweisen.

Nach Ägypten hat der gemeine Journalist auch nur einen kurzen Blick geworfen, als vor ein paar Jahren ein Attentat auf Touristen die Öffentlichkeit aufhorchen ließ. Dann war Ägypten wieder das Land der freundlichen Menschen, der Stabilität, die vielleicht höchstens durch einige Scharfmacher getrübt würde. Mubarak wurde zwar nicht unbedingt als lupenreiner Demokrat vorgeführt, aber als Diktator auch nicht apostrophiert. Kaum sind die Straßen und Plätze in Kairo und Alexandria voll von Demonstranten, haben es alle schon immer gewußt. Unterdrückung, Diktatur, schreien die Opportunisten im Chor. Und jeder Verweis darauf, daß auf der Straße vielleicht nicht nur wohlmeinende Demokraten und Liberale unterwegs sind, wird als westliche Arroganz abgekanzelt. Niemand, der darauf verweist, daß die Hintergründe der öffentlichen Unruhen erst ausgeleuchtet werden müssen, ist eine Freund Mubaraks.

Aber die Ängste der koptischen Christen in Ägpyten, die schon wieder Opfer eines Anschlags wurden, sind ernst zu nehmen. Auch die der Israelis, die die schiitischen, vom Iran gestützten Radikalen im Libanon ebensowenig kalt lassen kann, wie ein Ägypten, in dem Muslimbrüder die Palästinenser von der Hamas jenseits der Grenze unterstützen. Obama hat sich wenigstens für einen geordneten Übergang ausgesprochen und das ägyptische Militär aufgerufen, dabei mitzuhelfen. Europa sagt entweder nichts oder überschlägt sich in demokratischem Optimismus. Realpolitik sieht anders aus. Aber die kann man auch nicht von Leuten erwarten, die bei jeder neuen Meinungsumfrage und jedem neuen Geschrei von der Straße umfallen.

Was das Jugoslawien-Debakel betrifft, hat sich da und dort eine gewisse Einsicht breit gemacht, wofür es aber schon verdammt lange gedauert hat. Auch das Beispiel Ägypten gibt wenig Grund zur Hoffnung.

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