Montag, 7. Februar 2011

Offener Brief an deutsche Theologen


Der Kulturjournalist Alexander Kissler hat nach seinem offenen Brief an Bundestagspräsident Lammert, der die Zulassung katholischer verheirateter Männer zum Priesteramt gefordert hatte, heute einen weiteren offenen Brief an die Theologen gerichtet, die das "Memorandum 2011" unterzeichnet haben:

Meine lieben deutschen Theologen,

den lieb ich, der Unmögliches begehrt? Wäre es so einfach, wie es das Zitat behauptet, müssten wir alle uns ergriffen an die Brust fassen und eine Träne der Rührung verdrücken und stolz ausrufen: ach, unsere guten deutschen Theologen, wie schön, dass wir sie haben.

So aber, meine lieben Theologen, ist es nicht, zumindest dann nicht, denke ich speziell an Euch, an jene bisher 193 meist habilitierten und staatlich bestallten Lehrenden, die Ihr ein „Memorandum 2011“ unterzeichnet habt. Ja, Ihr wollt Unmögliches, Ihr wisst es genau, und dennoch fällt es mir schwer, Euch als Himmelsstürmer, Weltenstürzer so hoch einzuschätzen, wie Ihr selbst Euch vermutlich einschätzt.

Ihr wisst, dass Eure behend hervorgeholten Forderungen nicht verwirklicht werden. Noch mehr Frauen am Altar, ergänzt durch verheiratete Priester, gerne auch geschieden, gerne auch schwul: Warum sollte diese mit katholischer Tradition komplett brechende Agenda irgendein Bischof in Rom vortragen? Zumal sie aus einem Land stammt, in dem nicht einmal zwei Prozent aller Katholiken leben, von denen wiederum nicht alle Euch applaudieren.

Unmögliches begehrt Ihr, das allein darf man Euch nicht vorwerfen. Vielleicht hat Euch zu später Lebensstunde Sturm und Drang gepackt? Das wäre schön und nicht zu neiden. Aber es sind eben vor allem Exerzitien der intellektuellen Selbstkasteiung, denen Ihr Euch hingebt. Ihr stellt euch – bitte entschuldigt das harte Wort – viel, viel schlichter, als Ihr seid. Ihr spiegelt uns eine Armut im Geiste vor, die keinem von Euch wirklich eigen sein kann.

Ich kenne Euch, Euch kluge Professoren Biesinger und Bremer, Höhn und Mieth und Striet und Schockenhoff, und Ihr und die 187 anderen wollt uns glauben machen, Ihr hättet ein so schlichtes Gemüt, ein so schwaches Gedächtnis, wie es aus dem „Memorandum“ entgegen schlägt? Ihr müsst es besser wissen. Ihr wisst es besser. Und darum ist Euer Memorandum – entschuldigt bitte abermals – ein Witz, der nicht zündet, eine Maskerade, die nicht glückt.

Ihr schreibt von einer „beispiellosen Krise“, einer „tiefen Krise unserer Kirche“ anno 2010/2011. Was waren die Christenverfolgungen der Urkirche, waren die Spaltungen im 11. und 16. Jahrhundert, war der Kulturkampf, war die bedrängte Zeit im „Dritten Reich“, war die antikirchliche Staatsdoktrin der DDR? Allesamt waren das demnach minder schlimme Krisen, Kriselchen, denn „beispiellos“ soll nur die Gegenwart sein. Sollte Euch, die Ihr gewiss die hebräische Bibel gelesen habt und die Apokryphen, das Gedächtnis plötzlich nur bis ins Jahr 1990 zurückreichen? Man liest und fühlt sich veralbert.

Die Krise, die Ihr meint, speist sich aus den in der Tat absolut erschütternden Fällen sexuellen Missbrauchs, die in jüngster Vergangenheit ans Licht kamen. Aber wieso, bitteschön, begegnet man den „Ursachen von Missbrauch, Verschweigen und Doppelmoral“ am besten durch einen „offenen Dialog über Macht- und Kommunikationsstrukturen“? Würde das einen kranken, innerlich längst vom Glauben abgefallenen Menschen davor bewahren, einem anderen Menschen wehe zu tun?

Nein, man kann hier fast den Eindruck gewinnen, schlimme Vorfälle dienten zum willkommenen Nagel, an dem noch einmal ein verstaubtes Bild aufgehängt werden soll: das Bild von der ramponierten Kirche, die Ihr, liebe Theologen, mit eigener Hand zurecht biegen wollt. Jeder Klempner ist dem Rohrbruch gut Freund. Wer sich gesund wähnt, hat nur den falschen Arzt.

Therapeutisch wollt Ihr, liebe Professoren, eingreifen in den Strom der Zeit. Ihr ortet „verknöcherte Strukturen“ – weil Ihr selbst sie nicht ersonnen habt? Und noch einmal: Braucht diese Diagnose nicht das apokalyptische Szenario, das Ihr zeichnet, um nicht sofort als staubtrockener Antrag auf eine innerkirchliche Verwaltungsreform enttarnt zu werden? Man liest, hört die Absicht, ist verstimmt.

Schlichtest erscheint auch die Berufung auf das Zweite Vatikanum, das Ihr gewiss ein und aus studiert habt. Es dient hier als Einwickelfolie für die Forderung, von der „modernen Gesellschaft“ zu lernen. Das Zweite Vatikanum hat aber exakt jene Verfasstheit von Kirche bekräftigt, die Ihr nun überwinden wollt. Warum schreibt Ihr dann nicht, es sei Zeit, sich vom letzten Konzil zu lösen? Das wäre ehrlich und mutig und also das Gegenteil des tatsächlich Gesagten.

Gläubige bleiben der Gemeinde fern, schreibt Ihr weiter, wenn sie sich nicht „an der Leitung ihrer Gemeinde beteiligen“ dürfen. Woher wisst Ihr das? Kommt der Katholik zur Messe, weil er leiten will? Ist das der Inhalt der Liturgie: Einübung in Leitungskompetenz? Auch hier gilt: Ihr wisst es besser.

Und schließlich ist der fordernde Ton aus dem Munde reiferer Herrschaften bemerkenswert. Spricht man so, wenn man sich auf der Speckseite des Lebens angekommen wähnt? Ihr setzt „Sünder“ in Anführungszeichen, reduziert die Bibel auf eine sehr diesseitige „Freiheitsbotschaft“ – wo bleibt übrigens das Alte Testament? –, plädiert für „Befreiung und Aufbruch“ als Resultat eines „Dialogprozesses“, redet aber zugleich im Kasernenton. Es gelte, es müsse, es dürfe nicht: Das „Memorandum“ wirkt wie die Parodie auf einen Einberufungsbefehl. Stillgestanden, reformiert euch, weggetreten!

Natürlich werden die 1,17 Milliarden Katholiken deshalb keine schlaflosen Nächte bekommen. Es ist ja nur eine schiefe Maskerade, ein Witzlein aus Germanien. Was aber, frage ich Euch, werdet Ihr nun in Euren Vorlesungen, Übungen, Seminaren tun? Mit doppelter Energie und in kirchlichem Auftrag wider die wunschgemäß als „verknöchert“ entlarvte Kirche wüten?

Nein, das werdet Ihr nicht tun. Ihr habt ja geschrieben, ein „echter Neuanfang“ sei nötig und jede Menge „Mut zur Selbstkritik“. Also werdet Ihr ganz anders reden, als Ihr es noch im „Memorandum“ tatet. Ihr werdet neu anfangen in der Disziplin des Dienens und des Glaubens und Euch von niemandem in Eurer Selbstkritik übertreffen lassen. So wird es kommen.

Mit hoffnungsfrohen Grüßen,
Alexander Kissler.

Samstag, 5. Februar 2011

Der Moment der opportunistischen Superdemokraten


Vor einigen Tagen hat die versammelte linke Journaille dem deutschen Verteidigungsminister vorgeworfen, er ließe sich von der Bild-Zeitung zu unbedachten Handlungen anstiften. Wenn doch Journalisten nur einmal vor der eigenen Tür kehren würden, oder noch besser: wenn sie einmal nicht nach Tagesmeinung urteilen würden. Aber das würde wohl ihren beschränkten Horizont und ihren Charakter überfordern.

Denken wir einmal ein paar Jahre zurück. Als der Krieg in Jugoslawien ausbrach, wieviele Journalisten hatten es plötzlich schon immer gewußt, daß Herr Milosevic ein übler Panzerkommunist sei, daß er der Alleinschuldige an der Bosnien- und der Kosovo-Katastrophe wäre. Vor ein paar Jährchen mehr hatte sich mit wenigen Ausnahmen keiner dieser neumalklugen Herren für Milosevic, für die ethnische Gemengelage auf dem Balkan auch nur für eine Sekunde interessiert. Aber auf einmal waren sie alle Balkan-Experten und verfluchten Peter Handke, der es sich erlaubt hatte, auf die Selbstgerechtigkeit und die Ignoranz des Westens zu verweisen.

Nach Ägypten hat der gemeine Journalist auch nur einen kurzen Blick geworfen, als vor ein paar Jahren ein Attentat auf Touristen die Öffentlichkeit aufhorchen ließ. Dann war Ägypten wieder das Land der freundlichen Menschen, der Stabilität, die vielleicht höchstens durch einige Scharfmacher getrübt würde. Mubarak wurde zwar nicht unbedingt als lupenreiner Demokrat vorgeführt, aber als Diktator auch nicht apostrophiert. Kaum sind die Straßen und Plätze in Kairo und Alexandria voll von Demonstranten, haben es alle schon immer gewußt. Unterdrückung, Diktatur, schreien die Opportunisten im Chor. Und jeder Verweis darauf, daß auf der Straße vielleicht nicht nur wohlmeinende Demokraten und Liberale unterwegs sind, wird als westliche Arroganz abgekanzelt. Niemand, der darauf verweist, daß die Hintergründe der öffentlichen Unruhen erst ausgeleuchtet werden müssen, ist eine Freund Mubaraks.

Aber die Ängste der koptischen Christen in Ägpyten, die schon wieder Opfer eines Anschlags wurden, sind ernst zu nehmen. Auch die der Israelis, die die schiitischen, vom Iran gestützten Radikalen im Libanon ebensowenig kalt lassen kann, wie ein Ägypten, in dem Muslimbrüder die Palästinenser von der Hamas jenseits der Grenze unterstützen. Obama hat sich wenigstens für einen geordneten Übergang ausgesprochen und das ägyptische Militär aufgerufen, dabei mitzuhelfen. Europa sagt entweder nichts oder überschlägt sich in demokratischem Optimismus. Realpolitik sieht anders aus. Aber die kann man auch nicht von Leuten erwarten, die bei jeder neuen Meinungsumfrage und jedem neuen Geschrei von der Straße umfallen.

Was das Jugoslawien-Debakel betrifft, hat sich da und dort eine gewisse Einsicht breit gemacht, wofür es aber schon verdammt lange gedauert hat. Auch das Beispiel Ägypten gibt wenig Grund zur Hoffnung.

Die Stunde der ewigen Protestanten


Soll man weinen oder lachen? Eigentlich müßte man mit einem Schulterzucken darüber hinweggehen, so abgestanden und tausendmal überholt sind die Forderungen der 100 und einige Professoren, die dieses Memorandum für den Aufbruch der Kirche unterzeichnet haben. Was diese katholischen Gottesgelehrten, die längst in der Wolle gefärbte Protestanten sind, wirklich wollen, gibt es schon längst. Einen protestantischen Gebetsverein, der allen lästigen dogmatischen Ballast abgeworfen hat. Der das Evangelium den Torheiten des Zeitgeistes anpasst. Was diese Herren und Damen treiben, darüber würde sich der alte Luther die Haare raufen! Und wirklich freuen kann er sich auch nicht, daß jetzt selbst die Katholiken seine Forderungen links überholen wollen.

Kardinal Brandmüller hat vollkommen recht, wenn er die Forderung nach Aufhebung des Zölibats als fortgesetzte Beleidigung der Mehrzahl der Priester betrachtet, die ihre Berufung anständig leben. Es dürfe nach den unsagbaren Mißbrauchs-Skandalen des letzten Jahres nicht "zur Tagesordnung" übergegangen werden, schreiben die professoralen Revoluzzer. Aha, der Zölibat ist also doch ursächlich für den Mißbrauch. Wie blind und vernagelt muß man sein? Aber es geht eben hier überhaupt nicht um eine wirkliche Reform der Kirche. Der alte Marsch durch die Institutionen, die Besetzung der Positionen, das ist das Ziel. Man will mit Hilfe reformistischer Kader die Kirche und die Lehre weiter unterminieren, bevor die so arg verlästerten "Konservativen" das Ruder übernehmen. Denn die Reformer hatten in den letzten vierzig Jahren mehr als genug Zeit, die Kirche auf den "Kurs in die Zukunft" zu bringen, mittels Entmündigung der Geistlichen durch Pfarrgemeinderäte, über die Entleerung der Dogmen, die Reduzierung der Messe zu einem Ringelpiez und zig andere Reförmchen, die Rom im nachhinein absegnen mußte. Und was hat sich geändert? Die Leute, die den Glauben ernst nehmen, haben die Kirche verlassen. Sie wollten schlicht diese Reform nach dem Parteiprogramm der Zeitgeistler nicht, die die heilige Schrift nur dann interessiert, wenn sie ihre Reformphantasien bedient.

Die ProfessorInnen kommen jetzt zum tausendsten Mal mit ihren unerträglich ermüdenden Forderungen, weil sie merken, daß der Wind sich dreht. Die verlästerten "Konservativen" drängen nach. Die Zeit der 68er in der Kirche ist vorbei. Ihre Gesellschaftsexperimente sind gescheitert. Das sozialistische Gleichheitsgedöns hat nicht nur im Osten kaputte Landschaften hinterlassen, die Kirche hat sie im wahrsten Sinne des Wortes ruiniert. Kirchen wurden ausgeräumt, die Lehre entkernt. Aber der Ideologe ruht erst, wenn er vor einem Scherbenhaufen steht. Heiliger Vater bleib standhaft vor dem deutschen Ungeist, an dem die Weltkirche mal wieder genesen soll!