Dienstag, 25. Januar 2011

Schwarzer Schwan


Im Meer der Action-, Kriminal-, Horror- und Metzelfilme ist man über jeden Film froh und glücklich, der den Menschen nicht als Knetmasse futuristischer oder perverser Anwandlungen mißbraucht. Der neue Mensch der Mainstream-Filmwerke ist gegen jede Verletzung gefeit oder ein reines Produkt seiner sozialen Umgebung, ein chemisches Gesamt, das von Kriminalfachleuten sozial und physisch seziert wird. Umso erfreulicher ist ein Film, der den Menschen wieder über sich hinauswachsen läßt. "Black Swan" mit Natalie Portman ist so ein Film. Eine Balletttänzerin, die unter dem Perfektionswahn ihrer Übermutter leidet, die aber diesen soweit verinnerlicht hat, daß sie um jeden Preis den Traum leben will, der ihrer Mutter verwehrt blieb. Ihre Mutter möchte ihre Tochter deshalb auch von jenen schmutzigen Begleiterscheinungen bewahren, die der Ballettbetrieb leider auch mit sich bringt. Ihre Tochter wehrt sich gegen die Verführungsversuche durch ihren Lehrer, gegen die Versuche einer Konkurrentin, sie in den Sumpf ihrer Welt von Betäubung und Drogenkonsum hinunterzuziehen. Dafür muß sie den Preis bezahlen. Sie wird gemobbt, bedrängt, bedroht, solange bis sie Realität und Trauma verwechselt. In einem Angstanfall während der Premiere von "Schwanensee" meint sie schließlich, ihre Konkurrentin umzubringen, während sie tatsächlich sich selbst schwer verletzt.

Genie und Wahnsinn liegen nahe beieinander. Daß sie das tun liegt auch daran, daß die auf Perfektionismus getrimmte Welt des Balletts das Genie zwar ersehnt, herbeiwünscht, aber es mit allen Mitteln bekämpft, mit Neid und Mißgunst, wenn es sich denn hervorwagt. Nichts haßt das Mittelmaß mehr als das Bessere. Das Talent wird aus der Ferne bewundert, aber in der Nähe will man es nicht dulden. Die Beispiele der Menschen sind Legion, deren Genie, weil es die Mitwelt nicht begriff, kleingeredet, angezweifelt, ins Reich des Abseitigen, des Wahnsinigen verschoben wurde.

"Black Swan" ist auch eine Paraphrase unserer gegenwärtigen gesellschaftlichen Malaise. In der Kunst, in der Politik, wird bei jeder Gelegenheit der Mangel an Persönlichkeiten beklagt. Doch eine kleingeistige, neiderfüllte Mentalität bewirkt, daß in Schule oder Politik das was das Mittelmaß überragt, nicht hochkommt. Alles andere wäre Elitismus, ereifern sich die Hohepriester der Gleichheit. An dieser Realität zerbrechen diejenigen, die mehr als den kleinsten gemeinsamen Nenner erfüllen könnten.

Nur ganz nebenbei fragt man sich, warum immer mehr angloamerikanische Filme mit ihren originalen Titeln ins Kino kommen. "Black Swan" zu übersetzen ist nun wirklich kein Hexenwerk. Bei Redewendungen oder Neuschöpfungen ließe sich noch darüber reden, den originalen Titel beizubehalten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen