Mittwoch, 10. März 2010

Ein Brunnen für Bodenmais


Sie lassen es sich nicht nehmen, uns, die einfachen Bürger aufzurütteln, zu verstören und unsere Sehgewohnheiten in Frage zu stellen. So oder ähnlich lautet das was jedesmal aus Künstlermund über den Äther tönt oder aus den Spalten des Kunstfeuilletons zu uns dringt, wenn ein neues Kunstwerk den öffentlichen Raum bereichern darf. Wohlwollend-herablassend wird dann auch jedesmal von den Unverständigen und Unaufgeschlossenen berichtet, die gegen dieses oder jenes moderne Kunstwerk protestieren. Das hat einen zweifachen Nutzen: Die Protestanten dienen als Projektionsfläche, um sich der eigenen "Modernität" zu versichern - seht her, da krakelen die, die daheim den röhrenden Hirsch über dem Esstisch haben - und der Künstler darf sich in der beliebten und geschäftsfördernden Gloriole sonnen, "umstritten" zu sein.

Kunst hätte ja schon immer verstört, Sehgewohnheiten in Frage...wissen wir schon, mag schon sein, aber mit einem wesentlichen Unterschied: die heutige Kunst tut nichts anderes. Michelangelo hat mit seinem David den Menschen seiner Zeit ganz sicher ein anderes, neues Bild vom Menschen gegeben; wie auch die Gemälde eines Tischbein, Ingres oder Franz von Lenbach eine neue Vorstellung vermittelten. Aber es ging ihnen vor allem darum, ihre Kunstfertigkeit, ihren Genius am Objekt zu zeigen und ganz sicher auch darum, die Welt schöner zu machen.

Davon kann im Falle des neuen Brunnens in Bodenmais keine Rede sein. Da war niemand am Werk, der das Material, mit dem er arbeitet, liebt, der sich Gedanken darüber gemacht hat, ob sein Werk in die gewachsene Umgebung passt. Für die Moderne ist ohnehin typisch, daß sie auf Harmonie keinerlei Rücksicht nimmt. Angefangen von Architekten, die nichts dabei finden, ihre kahlen, ausdruckslosen Fassaden zwischen schöne, alte Gebäude zu kleistern, bis zu Künstlern, die von Regeln und Tabus nichts mehr wissen wollen, reicht die Liste der modernen Bilderstürmer.

Als in der Münchner Theatinerkirche ein weiterer moderner Bildstürmer zwischen spätbarocken Stuck seine kahle Altarinsel setzen wollte, erhob sich der Protest des Kirchenvolkes. Der Bildsturm um des Bildersturms willen wird nicht mehr hingenommen, auch weil die spätpubertäre Attitüde der modernen Kunst schlicht langweilig geworden ist. Das Regietheater ergeht sich in den immer gleichen Nuditäts- und Wahnsinnsorgien, und Malereien, die man so oder anders schon tausendmal gesehen hat, werden stereotyp als provokativ vorgeführt.


Wer heute gegen den Brunnen in Bodenmais ist oder gegen die hundertste "provokative" Inszenierung des Hamlet, ist nicht rückständig. Er ist weiter als die Propheten des ewigen Neuen um jeden Preis, nicht zuletzt um den der Schönheit - die ja in der Kunst irgendwann irgendwo noch einmal etwas gegolten haben soll.

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