Sonntag, 17. März 2013

Hermeneutik der Kontinuität



In den Medien, in allfälligen Umfragen heißt es ja oft und gerne, wenn es um die Kirche geht, Reformen täten not. Sie seien das auf und ab, das um und ab, und wer anderes sagt, ist von vorvorgestern. Benedikt XVI. mußte mit diesem Dauervorwurf leben, weil er nicht Küng, Glück oder Lammert folgen wollte, sondern den Heiligen, die inneren Wandel, die Konversion zu Gott als wahre Reform betrachten. Alles andere ist äußerliches, oberflächliches Politikergedöns, das mit dem Wesen des Katholischen soviel zu tun hat wie Lammerts Ökumene-jetzt-Aufruf. Was der Kirche wirklich not tut ist eine Abkehr von den ewig gleichen Reformredereien und eine Konzentration auf das Kerngeschäft, die Ausrichtung auf das Ewige. Der neue Papst wäre bestens beraten, hier anzusetzen und weiterzumachen. Den Reformenthusiasten passt das freilich ganz und gar nicht. Sie würden Benedikt am liebsten zu Hausarrest verdonnern, damit er sich nur ja nicht in die ersehnte Radikalreform des jesuitischen Minderbruders einmischen kann. So hören sich auf alle Fälle gewisse Wortmeldungen an, und auch gewisse Gesten Papst Franziskus' kann man durchaus als Distanzierung vom Vorgänger lesen.

In seinem ersten Angelus nannte er nicht Johannes Paul II., als er von Gottes Barmherzigkeit sprach - was näher gelegen hätte als Kardinal Kasper zu zitieren. Das deutsche Hölderlin-Zitat - obwohl Franziskus nicht mit Vielsprachigkeit zu glänzen versuchte - kann wohl als Wink mit dem Zaunpfahl nach Castel Gandolfo gedeutet werden: das Alter sei ruhig und fromm. Das mag er auf sich bezogen haben, es kann aber auch sein, daß er sich schlicht Einmischung jeder Art verbittet. Msgr. Marini, der verdienstvolle Zeremonienmeister Benedikts XVI. bekam das bereits zu spüren. Als er dem Papst die rotsamtene Mozzetta umlegen wollte, erhielt er eine barsche Abfuhr: "Die können Sie selber anziehen!"

Das mag man als Äußerlichkeiten abtun. Es wirft aber ein Licht auf einen Papst, der seinen ganz eigenen Kopf zu haben scheint, nicht nur in Fragen päpstlicher Mode. Angebliches Wissen, das sich als reine Spekulation entpuppt, ist mir verdächtig. Aber der alte Befreiungstheologe Leonardo Boff scheint auch aus Erfahrung zu sprechen, wenn er in einem Interview mit dem morgen erscheinenden Hamburger Nachrichtenmagazin meint, der neue Papst sei liberaler als mancher meine. Er mag in mancher Hinsicht konservativ erscheinen, so Boff, wenn es um Kontrazeptiva, Zölibat und Homosexualität geht, was er als Kardinal nur tat, weil Rom Druck auf ihn ausübte. Als Papst müsse er darauf keine Rücksicht mehr nehmen.

Boff weiter: "Vor einigen Monaten begrüßte er ausdrücklich, daß ein gleichgeschlechtliches Paar ein Kind adoptiert. Er hat Kontakt zu Priestern, die von der Amtskirche entlassen worden waren, weil sie geheiratet hatten. Und, am wichtigsten, er ließ sich seine Überzeugung nicht nehmen, daß wir auf der Seite der Armen sein müssen."

Ob das mit der Kontinuität wirklich eine so gute Idee war?

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