Freitag, 2. Juli 2010

Die angezählte Regierung


Auf das Drama folgt die Travestie, die Wiederkehr des Gescheiterten im tragikomischen Gewande. Das trifft leider auch auf das zu, was auf das Bundespräsidentenwahldebakel folgte. Bestes Beispiel: die Talkrunde bei Maybritt Illner. Die beiden geladenen Herren der Regierungskoalition taten so als sei eigentlich nichts geschehen. Zwar schwierig, drei Wahlgänge, und dann das noch mit den wahlverweigernden Linken, die eben noch nicht in unserer Republik angekommen wären. Aber im Grunde: man solle sich nicht so haben, ein Ergebnis hätte wir nun, Wulff ist der neue Bundespräsident, und werde ein guter Präsident sein. Übergang zur Tagesordnung.

Daß die Kommentatoren nicht so gnädig waren, ob im In- oder im Ausland, kümmerte die Schönredner nicht. Und die Analytiker und erst recht die Historiker werden erst recht kein Gnade walten lassen. Gnade wolle man, heißt es nun landauf, landab in Union und bei den Liberalen, nur mit den Abweichlern nicht walten lassen - das Wort "Verräter" erstarb ihnen rechtzeitig auf der Zunge: mit jenen Bösewichten, die an Frau Merkel ihr "Mütchen kühlen" wollten. Die ganze machtgesättigte Kaltschnäuzigkeit, der es schon lange nicht mehr um politische Inhalte geht, zeigt sich daran, daß ein Unions-Grande nach dem ersten gescheiterten Wahlgang meinte, die Botschaft hätte man verstanden, nun sei es aber mal gut!

Hätte man die Botschaft verstanden, die ganze aufgestaute Unzufriedenheit der Konservativen und Liberalen in der Koalition mit einer zur Götzin ihrer selbst erstarrten Bundeskanzlerin, für deren Programmatik selbst ein Bierfilz zu groß wäre, hätte man sie wirklich verstanden, hätte man schon früher etwas unternehmen können. Aber man will es nicht oder kann es schon längst nicht mehr. Das ist die ganze Tragik der schwarz-gelben Koalition. Man kann nur noch in maßloser Arroganz nach den Spielverderbern fahnden, die Frau Merkel die Gefolgschaft versagt haben, weil sie noch etwas wie eine eigene Meinung, ein demokratisches Gewissen hatten, das sich dagegen wehrte, das höchste Staatsamt zur Manipulationsmasse "Muttis" verkommen zu lassen.

Erinnert sich in der Union keiner mehr an den Fall Ypsilanti? Der Unmut war damals zu Recht groß, daß die Vorsitzende der hessischen Sozialdemokraten bereit war,mit Unterstützung der Linken den CDU-Ministerpräsidenten Koch aus dem Amt zu drängen. Drei Abweichler verweigerten Frau Ypsilanti die Gefolgschaft, weil sie ihren Kurs aus gutem Gewissen für fatal hielten. Darauf setzte eine Hexenjagd ein, die jeder Gutwillige verurteilen mußte.

Beide Fälle sind freilich nicht zur Deckung zu bringen. Aber sie zeigen etwas Wesentliches: wenn Konzepte fehlen, wenn man eigentlich nicht mehr weiter weiß, und die Macht nur noch verwaltet, aber nichts mehr aus ihr macht, und selbst das Gerede von der Tagesordnung die Unruhe nicht mehr verbergen kann, dann wird der Knüppel ausgepackt. Eine politische Bankrotterklärung, die nach der parteipolitischen Instrumentalisierung dem Amt des Bundespräsidenten zusätzlichen Schaden zufügt. Daß die Regierung und allen voran die Bundeskanzlerin allerspätestens seit diesem Wahldebakel angezählt ist, pfeifen die Spatzen national und international von den Dächern. Aber die Koalitonäre wissen nichts besseres zu tun als frohe Liedlein zu pfeifen...