Mittwoch, 27. Januar 2010

Adenauer, Merkel, Marx und die C-Frage


Der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer war bekanntlich ein bekennender und frommer Katholik, der es sich zum Beispiel nicht nehmen ließ, an Weihnachten persönlich verfaßte Ansprachen über den Rundfunk zu halten. 1957 sagte er: "Ich glaube, wir alle denken zu wenig daran, daß zuerst Gott die Ehre gebührt. Wir alle, gleich wo wir stehen, gleich was wir tun, müssen ihm zuerst die Ehre geben, damit uns allen Friede werde." Mit Adenauer hatte das Christliche in der Union seinen unbestrittenen Platz. Das hat sich geändert.

Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, fühlte sich kürzlich veranlaßt, angesichts des mehr und mehr verblassenden C der Unionsparteien "ein dezidiertes Bekenntnis zum christlichen Glauben und zur Kirche" anzumahnen. Anlaß dieser achtbaren Intervention des Münchner Erzbischofs war nicht allein die problematische Kritik der Bundeskanzlerin am Papst, sondern vor allem die allzu wolkige Rede von den "christlichen Werten". Die Relativierung der Ehe gegenüber anderen Lebensformen, die Forschung mit befruchteten Eizellen, die Forschungsministerin Schavan noch vorantreibt, sind für Marx kein Ausweis eines wahren Bekenntnisses zu "christlichen Werten".

Für den praktizierenden Katholiken Adenauer waren diese leitend, wenn er sich auch als Politiker bemühte, die Union zu einer überkonfessionellen Partei zu machen, deren christliches Fundament aber nie in Frage stand. Das scheint sich geändert zu haben. Auf Marx' Einwand, Christus müsse im CDU-Grundsatzprogramm zumindest Erwähnung finden, meinte Frau Schavan, daß das eine unzulässige Vereinnahmung wäre. Adenauer hat auch als Bundeskanzler Christus "vereinnahmt", wenn er 1957 sagte: "Denken wir an das Kind im Stalle, das den Menschen das Heil brachte." Aber selbst die "christlichen Werte" scheinen für Frau Schavan zur Disposition zu stehen: "Wer sich selbst treu bleiben will, muß sich verändern. Das gilt im übrigen in gleicher Weise für die Kirche." Daß sich die Kirche treu bleiben würde, wenn sie Grundprinzipien wie das Lebensrecht zur Disposition stellt, das kann Frau Schavan nicht ernstlich unterstellen.

Auch jene Allerweltsthese, die Union könne die Lehre der katholischen Kirche nicht "politisch eins zu eins umsetzen" darf als intellektuell allzu leichtgewichtig gelten. Es geht Marx wie Mixa und anderen kirchlichen Mahnern in der C-Frage mittlerweile um das "Eingemachte", um den Kernbestand des Christlichen und welchen Stellenwert er noch in der Union hat. Im Falle der Stammzelldiskussion oder der eindeutigen Entscheidung des Papstes, daß Katholiken an "Donum Vitae" nicht mitwirken dürfen, mißt der Münchner Erzbischof keinen Unions-Politiker daran, ob er jeden Buchstaben des Katechismus in seiner Politik beherzigt. Er mißt ihn daran, ob er das große Ganze noch beherzigt.

Montag, 25. Januar 2010

Ein neuer Altar für Röhrmoos

Wenn in einer Kirche ein neuer Altar geweiht wird, ist das stets ein großer Festtag, schon deshalb, weil eine solche Weihe nicht alle Tage vorkommt. So auch in Röhrmoos im Landkreis Dachau, wo Weihbischof Haßlberger den neuen Volksaltar für die renovierte Pfarrkirche St. Johannes weihte. Mit der dezenten und schlichten Art werde das Besondere am neuen Altar deutlich, sagte der Weihbischof in seiner Predigt. Nicht alle Gläubigen der Pfarrei schienen diese Ansicht zu teilen, wie der Münchner Merkur in seinem Bericht einräumt: es hätte durchaus auch kritische Stimmen zu dem modernen Altar gegeben.


Die Ästhetik des neuen Volksaltars ist sicher kritikabel. Doch viel schwerer wiegt die Tatsache, daß ein Tisch mit derart dünnem Fuß für die doch unerlässliche Reliquie keinerlei Raum bieten kann - daher auch die Regeln für die Gestalt des Altars. Pius XII. schrieb in "Mediator Dei", es würde vom rechten Weg abirren, wer dem Altar die alte Form der Mensa, des Tisches, wiedergeben wollte. Und in der Konzilskonstitution über die heilige Liturgie ist zwar vom "Tisch" des Herrenleibes die Rede, womit aber keine Aussage über die Gestalt des Altars getroffen ist. Wie wir schon mehrfach in diesem Blog angemerkt haben, geht keine Konzilsbestimmung von etwas anderem aus als dem in den Kirchen damals bereits Vorhandenen, kurz gesagt, vom Hochaltar. Auch als der Volksaltar mit der Liturgiereform von 1969 aufkam, orientierte er sich in seiner Grund-Gestalt am Hochaltar. Er war also weniger Tisch als Steinquader, um der Reliquie Platz bieten zu können.

Aber zurück zur Ästhetik - und für deren moderne Verfehlung gibt es genügend Beispiele. Als in der Klosterkirche von Bronnbach (Main-Tauber-Kreis)im Mai 2003 ein neuer Altar eingeweiht wurde - obwohl ein barocker Hochaltar bereits vorhanden war - hieß es in der Pressemitteilung, der neue Zelebrationsaltar aus grünem Sandstein bilde "ein Gegengewicht zu dem prachtvoll gestalteten Barockaltar". Nur bleibt die bange Frage, was verstand der Verfasser der Mitteilung unter "Gegengewicht"? Wohl in erster Linie Kontrast zwischen Neu und Alt, mag er auch noch so schmerzhaft sein.


Ähnliches denkt man sich, wenn man den Bericht über die Altarweihe in St. Michael in Unterdrackenstein, Region Stuttgart, liest. Dort heißt es, die begeisterten Besucher wären sich darin einig gewesen, daß die St.-Michael-Kirche "nicht schöner hätte werden können". Der Gegensatz zwischen dem neugotischen Hochaltar im Hintergrund und dem modernen neuen Altar könnte nicht schneidender sein. Von Harmonie keine Spur, die doch Leitidee sein sollte, wenn man eine Kirche, den Ort der Vorahnung der himmlischen Herrlichkeit, schon "neugestalten" muß.


Die Begeisterung und ungeteilte Freude, die eine Altarweihe bedeutet, scheint aus gutem Grunde nicht mehr so "ungeteilt" zu sein, sonst müßte man sie nicht derart betonen.

Montag, 18. Januar 2010

Papst Benedikt XVI. wird Ehrenbürger Freisings


Es ist eine Freude und eine Ehre, wie sie einer Stadt nicht oft zuteil wird. Seine Heiligkeit, Papst Benedikt XVI., nahm am vergangenen Samstag offiziell die Ehrenbürgerwürde der Stadt Freising an. Dazu hatte er Vertreter der Stadt in einer gut einstündigen Privataudienz empfangen, während derer ihm Oberbürgermeister Thalhammer die Insignien der Ehrenbürgerwürde überreichte.

Freising ist für den Heiligen Vater keine Stadt wie jede andere. Im Freisinger Mariendom empfing der junge Joseph Ratzinger 1951 die Priesterweihe, und wirkte danach an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Freising als Dozent. In den späten 1970er Jahren kehrte er als Oberhirte des Erzbistums München und Freising an die Wirkungsstätte seiner frühen Jahre zurück, der er innerlich stets verbunden blieb.

Darauf nahm Benedikt XVI. während der Audienz Bezug: "Ein wenig scherzhaft" könne er sagen, er selbst habe seit langem seine Sympathie und Verbundenheit mit Freising unter Beweis gestellt, da er den Freisinger Mohren schon seit 1977 in seinem Bischofswappen führe und auch in das Papstwappen übernommen habe. Er freue sich, daß "hier und heute die aufrichtige Freundschaft und Anhänglichkeit" der Freisinger Bürger "zu ihrem Landsmann, ihrem früheren Erzbischof und nunmehrigen Nachfolger Petri durch die Verleihung der Ehrenbürgerwürde" zum Ausdruck komme.



Der Heilige Vater meinte auch, jeder Priester entwickele zu dem Ort, an dem er die Priesterweihe empfangen hat, ein ganz besonderes persönliches Verhältnis. "Ich kann hier nur für mich sprechen, aber ich höre auch immer wieder von Mitbrüdern, wie tief sich jeder von ihnen mit dem Ausgangspunkt seines priesterlichen Lebensweges verbunden und verwurzelt fühlt. In meiner eigenen Erinnerung stehen mir ganz deutlich jene Augenblicke im altehrwürdigen Freisinger Dom vor Augen, als mir die Hände aufgelegt wurden und als Kardinal Faulhaber die Worte Jesu sprach: 'Ich nenne euch nicht mehr Knechte […]. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt.' (Joh 15,15)."

Ad multos annos!

Freitag, 15. Januar 2010

Freising 1803 und der (Un)Geist der Ökonomie


1803, das Jahr der Säkularisation, war für die fürstbischöfliche Residenzstadt ein Umbruchsjahr, für die Herrschaft der Fürstbischöfe das Ende. Joseph Konrad von Schroffenberg mußte als letzter Fürstbischof die Tür hinter einer glanzvollen Geschichte schließen und den Verwaltern der Aufklärung und Mediatisierung aus München Platz machen. In diesem Zusammenhang ist dann oft die Rede davon, die geistlichen Staaten des Heiligen Römischen Reiches wären nicht mehr zu retten gewesen, die Zeit wäre für sie abgelaufen gewesen.

Das war sie aber nur, weil 1789 die Zeit der Nationalstaaten einläutete, die Zeit der Zentralisierung und nicht zuletzt der Ökonomisierung. Freising als rein geistliche Stadt, von der die Bürger nicht schlecht lebten, hatte in dieser neuen, effizienteren Welt keinen Platz mehr. In der Geisteswelt eines Staatskanzlers Montgelas, der "unproduktive", weil rein kontemplative Klöster schließen ließ, war eine geistliche Stadt ein leerer Posten ohne Gegenwert.

Auch die Kirche würde heute die Säkularisation nicht mehr nur von ihrer kulturzerstörerischen Seite sehen, sondern auch als ein Ereignis, "das Ballastabwurf und Neubesinnung auf die ureigenen geistlichen Aufgaben ermöglichte", heißt es. Als die Benediktinerabtei Weihenstephan noch keine Land- und Fortwirtschaftsschule war, die sie 1803 wurde, war sie zwar im modernen Sinne ökonomisch nicht erfolgreich, aber geistlich ganz gewiß. Die bis 1803 bischöfliche Hochschule im Asamgebäude ist heute kultureller Mittelpunkt Freisings, vorher war das Gebäude der Mittelpunkt geistlicher Gelehrsamkeit, die weit über die Grenzen Freisings hinaus gerühmt wurde. In die Prämonstratenserabtei Neustift, eine nach Montgelas' Kriterien ebenfalls ökonomisch wertlose Einrichtung, quartierte man 1803 ein bayerisches Regiment ein. Daß Freising seine Bedeutung als geistliches Zentrum verlor, zeigte sich nicht zuletzt an der Shilouette der Stadt, die etliche Türme verlor, unter anderen den der Peterskapelle auf dem Domberg, die wie viele andere kirchliche Gebäude 1803 abgebrochen wurde.

Freising war kein Berg Athos. Aber es war eine geistliche Stadt mit einer überreichen geistlichen Geschichte, die nicht mehr in die neue, modernere, effizientere Zeit passte. Das ist der eigentliche Grund, warum sie verschwinden mußte.

Goethe in Italien und die Schönheit der Liturgie


Man weiß, daß der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) Zeit seines Lebens Deist, Pantheist, ja Polytheist war, antiklerikal und erklärtermaßen antikatholisch. Als er heimlich aus Weimar floh und sich auf seine lange, leidenschaftlich ersehnte Reise nach Italien machte (1786-88), zogen ihn vor allem die Monumente und Ruinen der griechisch-römischen Antike an, weniger das religiöse Leben des italienischen Volkes, das sich in den Renaissance- und Barockkirchen, in der Liturgie abspielte, die dort gefeiert wurde.

Dennoch rührte ihn die Schönheit der Riten der Settimana Santa an, die jene Rüstung aus Ironie und Indifferenz durchdrang, mit der er in der Peterskirche in Rom den Zeremonien beiwohnte, die damals Papst Pius VI. vollzog.

Als Goethe sich drei Jahrzehnte später, im Jahr 1829, entschloß, seine Briefe, Kommentare und Tagebuchaufzeichnungen unter dem Titel "Italienische Reise" zu veröffentlichen, hinterließ er eine charakteristische Bemerkung unter dem Datum des 22. März 1788. Nachdem er in Italien die katholische Liturgie zumindest miterlebt hatte, sollte sich seine Idee des "Schönen" - die bis dahin allein das Konzept Winkelmanns geprägt hatte - in eine unerwartete Richtung entfalten und bereichern:

"Die Kapellmusik ist undenkbar schön. Besonders das »Miserere« von Allegri und die sogenannten »Improperien«, die Vorwürfe, welche der gekreuzigte Gott seinem Volke macht. Sie werden Karfreitags frühe gesungen. Der Augenblick, wenn der aller seiner Pracht entkleidete Papst vom Thron steigt, um das Kreuz anzubeten, und alles übrige an seiner Stelle bleibt, jedermann still ist, und das Chor anfängt: "Populus meus, quid feci tibi?", ist eine der schönsten unter allen merkwürdigen Funktionen.(...) Ich habe nach meinem Wunsch alles, was an den Funktionen genießbar war, genossen und über das übrige meine stillen Betrachtungen angestellt. Effekt, wie man zu sagen pflegt, hat nichts auf mich gemacht, nichts hat mir eigentlich imponiert, aber bewundert hab' ich alles, denn das muß man ihnen nachsagen, daß sie die christlichen Überlieferungen vollkommen durchgearbeitet haben. Bei den päpstlichen Funktionen, besonders in der Sixtinischen Kapelle, geschieht alles, was am katholischen Gottesdienste sonst unerfreulich erscheint, mit großem Geschmack und vollkommner Würde. Es kann aber nur da geschehen, wo seit Jahrhunderten alle Künste zu Gebote standen."

Bemerkenswerterweise hatte sich zwölf Jahre vor Goethes Rom-Aufenthalt, im Jahr 1770, der vierzähnjährige Wolfgang Amadeus Mozart vollkommen in das selbe Miserere von Allegri verliebt. Da man im Vatikan fürchtete, das wunderbare Werk könne in falsche Hände geraten, hütete man es lange in den Archiven der Sixtina. Das Wunderkind Mozart soll jedoch das Werk Allegris - das immerhin für neun Stimmen gesetzt war - nach nur zweimaligem Hören vollständig rekonstruiert haben!

Das Miserere von Gregorio Allegri und die Improperien, die Goethe erwähnt, findet man z.B. unter:
http://www.youtube.com/watch?v=x71jgMx0Mxc
http://www.youtube.com/watch?v=NMawifNdBN0&feature=related

Dienstag, 12. Januar 2010

Zeremoniar betont liturgische Anliegen des Papstes


Monsignore Guido Marini, Zeremoniar Papst Benedikts XVI., hat vergangene Woche eine Empfehlung des Papstes besonders hervorgehoben: wenn die Messe in West-Richtung zelebriert wird, also nicht zum geosteten Hochaltar, sollte der Priester ein Kruzifix in die Mitte des Altars stellen, um damit klar zum Ausdruck zu bringen, daß der Zelebrant während der Messe nicht das Volk, sondern Christus anblicke.

Msgr. Marini sagte auf einem Priestertreffen in Australien, daß das Gebet in Ost-Richtung, genauer gesagt, mit Blick auf den Herrn, "charakteristischer Ausdruck des authentischen Geistes der Liturgie" sei. "In diesem Sinne sind wir eingeladen, unsere Herzen während der Feier der Eucharistie dem Herrn zuzuwenden, woran uns der Einleitungsdialog zur Präfation erinnert. Sursum corda - "Erhebet eure Herzen", fordert uns der Priester auf, und alle antworten: Habemus ad Dominum - "Wir haben sie beim Herrn".

Auch der Theologe Joseph Ratzinger äußert sich im ersten Band seiner gesammelten Werke, der der Liturgie gewidmet ist, in diesem Sinne. Der Gedanke, daß Priester und Volk einander während des Gebets ansehen sollten, entwickelte sich erst in der modernen Christenheit, und ist der alten Kirche vollkommen fremd. Der Priester und das Volk beten einander selbstverständlich nicht an, sondern zum Herrn. Daher blicken sie während des Gebets in die selbe Richtung: entweder ostwärts als kosmisches Symbol des Herrn, der kommt, oder, wo das nicht möglich ist, auf das Bild Christi in der Apsis, auf ein Kruzifix, oder einfach zum Himmel, wie es unser Herr selbst tat im priesterlichen Gebet in der Nacht vor Seiner Passion (Joh 17,1).

Das Kruzifix könne, so der Papst, unseren Blick auf den Priester nicht verstellen, vielmehr erweitere es unseren Horizont, um die Welt Gottes zu sehen, um über das Mysterium zu meditieren, es leite unseren Blick in den Himmel, woher allein das Licht kommt, das unserem Leben auf Erden Sinn verleiht: "Unser Blick wäre in Wahrheit blind und eingeschränkt, wenn er auf die Dinge fixiert wäre, die nur den Menschen und seine Werke verkörpern."

Die Worte des Papstes verdeutlichen, daß die heute gebräuchliche Redeweise vom Priester, der "mit dem Gesicht zum Volk" zelebriert, theologisch nicht akzeptabel sein kann. Die Messe kann sich nur an Gott durch Christus wenden, und es wäre ein Irrtum zu meinen, die Opferhandlung wäre prinzipiell auf die Gemeinde hin orientiert.

Die Messe ist ein Gesamtkunstwerk, in der alles dem einen Antrieb folgt, das Geheimnis der göttlichen Gegenwart würdig zu begehen. Dem folgen die Musik, der Gesang, das Schweigen, die Gesten und die liturgischen Gewänder. In diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung Papst Benedikts XVI. zu sehen, der an Fronleichnam 2009 begonnen hat, die Heilige Kommunion den knieenden Gläubigen direkt in den Mund zu spenden. Msgr. Marini hat das so kommentiert: "Durch dieses Beispiel lädt uns der Heilige Vater ein, eine angemessene Haltung vor der Größe des Geheimnisses der Eucharistischen Präsenz des Herrn sichtbar zu machen."

Der selige Johannes XXIII. und das Tagebuch


Der selige Johannes XXIII. führte bereits als Seminarist mit Namen Angelo Roncalli im Priesterseminar von Bergamo Tagebuch. Dieser Übung blieb er bis in seine letzten Tage treu: als Bischofssekretär, als Professor, als Militärkaplan und schließlich auch als Papst in den Jahren 1958 bis 1963. So hinterließ er Berge von Tagebüchern, Briefen und Notizen, und überließ es seinem Sekretär Loris Capovilla über eine eventuelle Veröffentlichung zu entscheiden.

Seit vergangenem Jahr liegen zehn gewichtige Bände mit den Tagebüchern des Papstes vor, der im Oktober 1962 das Zweite Vatikanische Konzil eröffnete. Da Roncalli unter anderem auch in Südosteuropa unterwegs war, als Nuntius in Paris wirkte, wimmeln seine Tagebücher von einer Unzahl von Personennamen, die es bis nach Bulgarien und in die Türkei zu identifizieren galt.

Für Roncalli war die Kirche kein Instrument zur Selbstinszenierung, sondern eine objektive Grösse, nach deren Vorgaben er den Fortschritt im geistlichen Leben erstrebte. Theologische Spekulation und das Bedürfnis, über den letzten Stand der exegetischen Forschung auf dem Laufenden zu sein, waren ihm fremd. Dagegen eignete ihm ein kompaktes Kirchenbild, verwurzelt in den zwei Testamenten, den Psalmen des Breviers, den Kirchenvätern und den Biographien der Heiligen. Roncalli lebte mit dem unreformierten Heiligen-Kalender, der eine unerschöpfliche Quelle für die unzähligen improvisierten Ansprachen war, die von ihm erwartet wurden. Dabei war er sich durchaus bewußt, zu welchen Ab- und Ausschweifungen die Gottesgabe der freien Rede führen kann.

So unakademisch katholisch er war, so klar bekannte er seinen Glauben in der Welt. Er war ausreichend geerdet, um in den Umbrüchen seiner Zeit standfest und zugleich lernfähig zu bleiben. So verweigerte er eine kleine Auszeichnung, welche die italienische Regierung ihm 1917 als Sanitätssoldaten zugedacht hatte. Vom liberalen und kirchenfeindlichen italienischen Staat nehme er keine Medaille entgegen, auch wenn er für den Sieg Italiens bete.

In seinen Urteilen über Menschen war Roncalli zurückhaltend. Auch im Blick auf den Vorwurf des theologischen Modernismus, dem er in seinen jungen Jahren während seiner Lehrtätigkeit ausgesetzt war, blieb ihm die Märtyrerpose fremd.

Gültig bleibt jedoch, was der reformierte Berner Kirchenhistoriker Andreas Lindt über ihn schrieb: "Faszination und Geschichtsmäßigkeit beruhen in der eigenartigen Verbindung tief empfundener und streng gelebter kirchlicher Tradition mit dem Gespür für die Herausforderungen einer neuen Zeit und der kühnen Bereitschaft, Neues zu wagen und in Angriff zu nehmen."

Zuletzt erschienene Bände der Edizione Nazionale dei Diari di Angelo Giuseppe Roncalli / Giovanni XXIII.: Vol. 2: La mia vita in Oriente. Ist. Scienze Religiose, Bologna 2008. € 50.–. Vol. 5/2: Anni di Francia. Agende del Nunzio. 1949–1953. Ebd. 2007. 750 S., € 50.–. Vol. 6/2: Pace e vangelo. Agende del patriarca. 1953–1955 und 1956–1958. Ebd. 2008. 800 S. und 750 S., je € 50.–.

Der richtige Umgang mit Vatikanum II


Im Vorfeld der Gespräche Roms mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. forderte ein Kreis Freiburger Theologen die Bruderschaft ultimativ auf, die Beschlüsse des zweiten vatikanischen Konzils "vollumfänglich" anzuerkennen. Abgesehen von der Frage, ob diese Theologen heute noch jeden Passus der Konzilsbeschlüsse kennen und unterschreiben würden - man denke nur an die priesterliche Ehelosigkeit - wird durch die Vokabeln "ultimativ" und "vollumfänglich" eines klar: die Konzilstexte selbst sind nicht mehr Gegenstand einer sachlichen, eingehenden Diskussion. Das Konzil ist zu einer Art "Superdogma" geworden, an dem maßgebliche Kreise die Kirchlichkeit einer Gruppierung messen wollen.

Der Papst bemüht sich dagegen, das Konzil an der Tradition zu messen, es nicht als "unhintergehbar" zu hypostasieren. In der Diskussion um alte Messe und Pius-Bruderschaft hört man ja nur allzuoft die These, man dürfe auf keinen Fall "hinter das Konzil zurück". Alle Konzile und deren Beschlüsse sind Teil der Lehrentfaltung der Kirche, die man unter dem Begriff der Tradition zusammenfasst. Es gab, so die feste Überzeugung des Heiligen Vaters, keinen Bruch der Tradition durch das Zweite Vatikanum, sondern eine Fortsetzung der Lehrentfaltung. Das meint der Papst mit seiner These von der Kontinuität.

Damit wendet er sich gleichermaßen gegen absolute Traditionalisten wie gegen fortschrittlich gesonnene Theologen und Kirchenleute. Das letzte Konzil war weder der Bruch mit allem bisher Dagewesenen, der Scheidebrief an die Lehrtradition der Kirche, noch war es der unvergleichliche Aufbruch zu ganz neuen Ufern, das neue "Pfingsten der Kirche". Man solle die Texte des Konzils im Geiste der Kirche lesen, vor dem Hintergrund aller Lehraussagen der Vergangenheit.

Nur dann werde man die unselige Kategorisierung in vorkonziliar und nachkonziliar und die daraus folgende Politisierung überwinden. Konservativ und progressiv sind politische Kategorien, in denen ein Katholik nicht denken sollte. Vielmehr kann die Kirche nur bewahrend sein, denn gemäß dem Paulus-Wort gibt sie weiter was sie empfangen hat. "Progressiv" ist sie nur dann, wenn sie das Emfangene fruchtbar macht, nicht wenn sie es verändert gemäß dem stets wandelbaren Zeitgeist.

Montag, 11. Januar 2010

Die alte Messe und die Zukunft der Kirche


Am 12. November 2009 hielt Professor Dr. Wollbold vom Lehrstuhl für Pastoraltheologie an der LMU München auf dem Haus der katholischen Studentenverbindung "Agilolfia" auf dem Freisinger Domberg einen hochinteressanten Vortrag zum Thema "Die alte Messe und die Zukunft der Kirche". Mit der "alten Messe" ist die Messe in der sogenannten außerordentlichen Form des römischen Ritus gemeint, die Papst Benedikt XVI. im Juli 2007 wieder zugelassen hatte, obwohl sie offiziell nie verboten war. Aber der Umgang mit dieser Messform, die bis 1962 galt, lief so wie er in den Jahren nach der Liturgiereform von 1969 aussah, auf eine stillschweigende Abschaffung hinaus. Umso heftiger fielen die Reaktionen auf die Wiederzulassung durch das päpstliche Motu proprio "Summorum Pontificum" aus.

Den Verfasser dieses Blogs überraschte selbst die Emotionalität der Diskussion. Das sei ein gewaltiger Rückschritt, meinten manche. Die Liturgiereform hätte "alte Zöpfe" wie das Latein abgeschnitten, der Gottesdienst sei lebendiger, "volksnäher" geworden, zumal da sich der Geistliche nun dem Volk zuwende. Das mache etwas stutzig, so Wollbold, denn die Zelebration versus Deum war für die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanums, ebenso wie für das Messbuch Papst Pauls VI. keineswegs ausgeschlossen. Es hat sich also innerhalb der neuen Messordnung etwas ausgebildet, was entgegen der ursprünglichen Intention der Reform faktisch als Normalform, für viele als die einzig mögliche Form erscheint.

Die Grundfrage, an der sich die Reform der Liturgie messen muß, lautet schlicht: Hat die Reform das erreicht, was sie zu erreichen versprach? Nehmen die Gläubigen heute bewußter, aktiver, wissender an der heiligen Handlung teil? Die alte Messe verlangt vom Gläubigen die innerliche, betende Teilnahme. Er soll sich gleich dem Priester uneingeschränkt auf die heilige Handlung konzentrieren, und wird nicht durch Interaktion abgelenkt, zumal da die Gläubigen mit dem Priester dem Hochaltar, dem Ort des Allerheiligsten zugewendet sind.

Hauptärgernis an der alten Messe scheint für viele jedoch das Latein zu sein, obwohl in unserer globalisierten Welt niemanden stört, daß Englisch zur Welteinheitssprache geworden ist, so wie Latein eine die Weltkirche verbindende "Einheitssprache" sein könnte. Die Sakralsprache Latein schafft auch jene Distanz zum Alltag, die viele zum Beispiel an der Liturgie der Ostkirche schätzen.

Im Zentrum der Liturgie steht ein Geheimnis, das alles Verstehen übersteigt - die Gegenwart des Herrn unter den Gestalten von Brot und Wein. Die alte Messe näherte sich vom Stufengebet bis zum Kanon und den Einsetzungsworten in Worten, Gesten (Knien, Fingerhaltung) und stiller Andacht, die nur noch das Läuten der Glöckchen unterbrach, dem zentralen Geheimnis. Die Kommunion wurde auf den Knien und in den Mund empfangen, aus Verehrung und Dankbarkeit für Christus, der sich uns im Sakrament so wie auf Golgotha hingibt.

Die Absicht des Papstes mit der Freigabe der alten Messe war es nicht, die Reform zu beseitigen, wie manche unterstellen, die die Freigabe allein als Zugeständnis an die Priesterbruderschaft St. Pius X. darstellen. Es geht dem Papst darum, daß die Messformen einander bereichern, voneinander "lernen", und nicht zuletzt darum, daß die "alte" Messe von dem Ruch des Ungehörigen befreit wird, zumal da sie über Jahrhunderte das Bild der Kirche geprägt und zahllose Heilige und fromme Katholiken hervorgebracht hat.

P.S.: Prof. Wollbold hält regelmäßig im Landkreis Freising die Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus. Nähere Informationen unter: www.pro-missa-tridentina.org/heilige-messen/regelmaessige-gottesdienste.htm